Genese des JagKdo

Der Österreichische Wander Sport und Geselligkeitsverein (ÖWSGV), Vorgängerorganisation des Jagdkommandos?

Gegründet wurde der Verein (ÖWSGV) 1952[1]. Am 21. September 1952 um 07:45 in Wien III Seidlgasse 21 die konstituierende Generalversammlung statt. Dabei wurde unter anderem auf Vorschlag von Herrn Josef Las folgender Vorstand gewählt.

  • Obmann: Herr Erich Hanslik
  • Obmannstellvertreter: Herr Otto Frey
  • Schriftführer: Herr Leopold Pflüger
  • Kasier: Herr Walter Jeschko und
  • Beisitzer: Hans Böck

Wie aus den bei der Behörde vorgelegten Statuten des ÖWSGV hervorgeht erstreckte sich der Wirkungsbereich auf das ganze Bundesgebiet und gem. § 2 der Statuten war als Vereinszweck angeführt: „Der Verein verfolgt den Zweck, durch Wandern und Sport die physischen Kräfte des arbeitenden Menschen zu stärken und durch gesellige Zusammenkünfte den Kontakt der Mitglieder zu fördern[2]“. Als Vereinsadresse wurde  Wien XIV; Penzingerstraße 33/10 angeführt.

Aufgelöst wurde der Verein am 2. Juni 1967 vom Obmann Franz Werdek Wien XV Graumanngasse 33/II/II. Als Begründung wurde angeführt: „Der Österreichische Wander-Sport- und Geselligkeitsverein übt seit dem Jahr 1960 keine Tätigkeit mehr aus und ist eine Wiederaufnahme derselben nicht mehr beabsichtigt[3]

Hirngespinste oder Wahrheit

Ausgehend davon, dass in Österreich eine Stay-behind-Armee existierte, wird immer wieder der Name eines Vereines mit dem Namen „Österreichischer- Wander- Sport und Geselligkeitsverein“ (ÖWSGV) damit in Zusammenhang gebracht, die als Untergrundorganisation klassifiziert wird. In diesem Zusammenhang werden immer zwei Namen genannt Franz Ohla und Fritz Molden (Ganser 2003, 12f). Tatsächlich dürfte Franz Ohla von der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft der führende Kopf gewesen sein. Die Organisation dürfte im Kern aus der Bau- und Holzarbeiter zusammengestellt worden sein, woraus sich der Beiname „Ohla´s Privatarmee“ ableiten lässt. Laut Aussage von Olah in seinem Prozess, gab er an das die gesamte Organisation von nicht genannten „in- und ausländischen Spendern, nicht zuletzt amerikanische Institutionen (der Amerikanischen Gewerkschaft) finanziert worden sei (Irnberger 1981, 99f).

So führt die Alfred Klahr[4] Gesellschaft an: „Zur Sicherung ihrer propagandistischen und militärischen Basis wurden nicht nur geheime Waffen-, Sprengstoff-, Munitions- und Versorgungslager, nicht nur Alarm- und Telefonnetze sowie Rundfunkstationen in den westlichen Besatzungszonen unseres Landes errichtet, sondern es wurden auch Untergrundorganisationen für militärische Erkundigungen und kriegerische Einsätze geschaffen, deren Ausbildung auf Grund eines gemeinsamen CIA/Gladio/Armeeprogramms unter dem sinnigen Decknamen „Easeful“ („Ruhig“) erfolgte“. Und weiteres…

Zu den Untergrundorganisationen gehörten in Österreich die von dem aus der Bauarbeitergewerkschaft gekommenen und späteren Innenminister Olah unter dem Tarnnamen „Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein“ geschaffenen Einsatztruppen: Mehr als 2000 Mann, ausgebildet in Judo, im Waffen- und Sprengstoffgebrauch, Nachrichtendienst und Spionage, Nah- und Untergrundkampf, finanziert und mit Waffen versorgt von der CIA. Während des Oktoberstreiks 1950 hatte sich Olah mit seinen Schlägerbanden das Vertrauen der US-Besatzungsmacht und der CIA erworben.

Eine weitaus größere Rolle spielte jedoch die als Vorläuferin des Bundesheeres illegal aufgestellte B-Gendarmerie, ebenfalls von der amerikanischen Besatzungsmacht und der CIA finanziert und mit Waffen ausgerüstet. Als Verbindungsmann der B-Gendarmerie zur amerikanischen Besatzungsmacht fungierte der spätere General und Salzburger Gruppen­kommandant Zdenko (Ritter von) Paumgarten. Mitglied der illegalen B-Gendarmerie war der spätere Generaltruppeninspektor des Bundesheeres Karl Majcen. (In Wikipedia ist zu erfahren; „Das es im Jahr 1947 zu einem geheimen Übereinkommen zwischen dem ÖGB-Präsidenten Johann Böhm und dem Wiener Politiker Franz Olah, für diesen Fall eine Truppe aus verlässlich antikommunistisch gesinnten Gewerkschaftern zu bilden. Diese Maßnahme wurde nach späteren Aussagen Olahs von der Führung der SPÖ und dem US-Hochkommissar und Leiter der United States Forces in Austria Generalleutnant Geoffrey Keyes stillschweigend akzeptiert.“  Und weiteres: Ab dem Jahr 1951 kam es zum eigentlichen Aufbau der Geheimarmee, um eine ständig bereite Truppe gegen mögliche kommunistische Umsturzversuche zur Verfügung zu haben. Als Tarnung wurde der Österreichische Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein gegründet, dessen Mitglieder sich hauptsächlich aus jungen Kadern der Arbeiterschaft rekrutierten. Die Mitglieder wurden von älteren Kriegsteilnehmern in Ausbildungslagern militärisch geschult und so zu Fachleuten im Schießen, Sprengen und im Nahkampf ausgebildet. Über Mittelsmänner wurden Waffen aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen gekauft und mit damals seltenen eigenen Autos in Wien und in den Bundesländern ausgerüstet. In Golling bei Salzburg, damals im Gebiet der amerikanischen Besatzungszone gelegen, wurde ein Grundstück gekauft, auf dem eine 200 Mann starke Spezialtruppe für den Gebirgs- und Wintereinsatz trainiert wurde. Insgesamt konnte der OeWSGV in seiner größten Ausbauphase in etwa auf 2700 Personen zurückgreifen. Für die Lagerung des Kriegsmaterials kaufte der ÖWSGV in der Wiener Missindorfstraße ein Grundstück an. Zusätzlich wurde 1951 die Handelsfirma Atlanta und die Omnia Warenhandels AG gegründet, die zum Umfeld der ÖWSGV zu zählen ist..

Im Jahr 1953 wurde erstmals die österreichische Staatspolizei (StaPo) unter Sektionschef Peterlunger auf diese Aktivitäten aufmerksam, als in der steirischen Kleinstadt Trofaiach, in der britischen Besatzungszone, von der Polizei geheime Sendeanlagen sichergestellt wurden. Durch einen gefundenen Brief konnte festgestellt werden, dass diese sich im Besitz der Gewerkschaft Bau- und Holz befinden. Peterlunger kontaktierte daraufhin Franz Olah, den er seit dem Oktoberstreik 1950 schätzte und mit dem er freundschaftlich verbunden war. Nach einer Aussprache wurden die inhaftierten Personen freigelassen und die Sendegeräte zurückgegeben, ohne dass eine Information an die Öffentlichkeit gelangt wäre. Ende Wikipedia.

Dem ÖWSGV war der Zugang zum amerikanischen Besatzungssender Sender Rot-Weiß-Rot über Olah in bestimmten Fällen ermöglicht, worin sich die Vermutung gründet, das die Gründungsväter des ORF zumindest ein Naheverhältnis zum ÖWSGV gehabt hätten. (Irnberger 1981, 99ff)[5].

Die Aufgabe des Vereines der als Untergrundarmee, eine Teilorganisation von Gladio gewesen ist, war es im Falle eines sowjetischen Angriffes Kleinkriegsverbände (Partisanen-verbände) aufzustellen, um hinter der Front Sabotage Aktionen auszuführen. Damit sollte ein Vormarsch der Warschauer Pakt Staaten über Österreich möglichst verlangsamt werden, bis die Truppen der westlichen Allianz effektive Gegenmaßnahmen unternehmen könnten.

Nach dem Staatsvertrag 1955 bzw. Anfang der sechziger Jahre schien die kommunistische Putschgefahr endgültig gebannt. An sich besteht kaum ein Zusammenhang mit dem Österreichischen Bundesheer, wenn man davon absieht, dass Personen denen man die Mitgliedschaft im ÖSWGV zumutet, im Bundesheer, dem Österreichischen Rundfunk und anderen Institutionen eine weitere Verwendung fanden.

Vielmehr wurde der strategische Gedanke wenn man so will im Bundesherr der 60 Jahre weitergetragen, nicht mehr als Geheimarmee, sonder im Sonderverband von der JUWaSch der IKSch, der Schulkompanie Kleikrieg der Heeressport und Nahkampfschule SKPKK/HSNS, dem Jagdkommando. Das Ziel der Jagdkommandogrundkurse in den 60er Jahren war es ein Kader zu schaffen welchen in der Lage war, Zellen zu schaffen die die Basis für den Kleinkrieg bilden sollten. Dieselbe Aufgabe also wie man von ÖWSGV verlangte. Zitat von Gen. Robert Lang (V) „… Einige Zeit später kam es zu weiteren, sehr intensiv geführten Überlegungen bezüglich der Kleinkriegsidee. Im Raumverteidigungskonzept von General Spannocchi, sollte ja die Truppe in den Verzögerungszonen auch in dieser Kampfform Widerstand leisten. Viele Gespräche mit General Spannocchi hatten dieses Thema zum Inhalt“. Was sich auch in der Ausbildung und den Einsätzen zeigte. Man kann behaupten, dass der Auftrag des ÖWSGV im Jagdkommando der 60er Jahre weiterlebte. Es waren nur andere Darsteller und wurde im Begriff der Asymmetrischen Kriegsführung instrumentalisiert.

Nach wie vor ist der ÖWSGV geheimnisvoll und von Legenden umgeben und die ist zurzeit etwas dürftig. Man will darüber nicht reden.

Mag. Dr. phil. Alfred Wolfgruber

Quellen:

[1] Mit Bescheid vom 08. 01. 1952 S.D.-32.013/52 wurde der Verein Österreichischer Wander- Sport und Geselligkeitsverein behördlich zugelassen.

[2] Quelle: Die eingereichten und behördlich genehmigten Statuten des ÖWSGV

[3] Behördliche Auflösung Bescheid der Sicherheitsdirektion xxxx177/a/2 – VB 67 GZ 1299 vom 02. Juni 1967

[4] Hans Wolker: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/1996).

[5] Irnberger Harald (1981). Extrablatt bei HeCHt: Nelkenstrauß ruft Praterstern. Am Beispiel Österreich: Funktion und Arbeitsweise geheimer Nachrichtendienste in einem neutralen Staat. Litera Press m.b.HG. Wien

„Stay behind“ in Österreich – Teil 1: Guerillas für den 3. Weltkrieg

Neue Dokumente belegen erstmals, wie die CIA ab Ende der 1940er Jahre in Österreich ein Widerstandnetz gegen die Rote Armee installierte – unter tatkräftiger Mithilfe heimischer Stellen 

Siehe dazu: Christoph Franceschini und Thomas Riegler, Guerillas für den Dritten Weltkrieg, in: profil, Nr. 2/2015, 36-39.

Es ist kein Schatz, der 1948 im Unterholz nahe der Sieveringer Straße im Wienerwald vergraben wurde, sondern ein amerikanisches Funkgerät. Drei markante Ahornbäume „markierten“ die Stelle, wo das SSTR-1 15 cm unter der Erde versteckt war – in einer Metallbox als Schutz gegen die Witterung. Dieses Erddepot war nicht das einzige seiner Art. Ein weiteres Funkgerät wurde nur kurz entfernt, nahe der Bellevuewiese, in einem Buschstreifen verscharrt. Mitvergraben wurden auch sogenannte codierte „signal plans“, also Pläne und Angaben, wie die Agenten im Kriegsfall mit ihren Auftraggebern Kontakt aufnehmen sollen. Insgesamt waren zehn Verstecke angelegt worden: Die meisten im Westen von Wien, aber auch in einem Garten in Klosterneuburg sowie nahe von Wiener Neustadt. Die verbuddelten Funkgeräte gehörten zu einer streng geheimen Operation der CIA, deren genaue Details auch heute noch im Dunkeln liegen. Freigegebene Dokumente ermöglichen nun erstmals Einblick in die Ereignisse vor fast 70 Jahren.

Ungefährer Ort des Funkgerät-Verstecks nahe der Sieveringer Straße (Foto: Autor)

Stay behind

Das vor kurzem gefeierte Jubiläum der friedlichen „Wende“ von 1989 sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kalte Krieg eine spannungsgeladene Zeit war. Vor allem die Anfangsphase war eine „heiße“ Phase: Ende der 1940er Jahre hatten Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei übernommen und Stalin blockierte den Zugang zu West-Berlin. Zwischen 1950 und 1953 wütete der Koreakrieg. Nirgendwo fühlte man diese Erschütterungen stärker als im besetzten Nachkriegsösterreich, wo die Machtblöcke unmittelbar auf einander trafen. Hier befürchtete man eine Teilung des Landes ebenso wie einen Putsch der KPÖ. Überhaupt schien eine Invasion der Roten Armee unmittelbar bevorzustehen. Die Alliierten rechneten sich für diesen Fall keine Chance aus, Westeuropa wirksam zu verteidigen. So wollte man sich zunächst zurückziehen, um dann den Gegenschlag zu starten. Bis es soweit war, sollten Guerilla- und Partisaneneinheiten im Rücken der Front aktiv werden. Diese Kräfte sollten zurückbleiben und sich von der Front überrollen lassen („stay behind“). Dann lautete ihr Auftrag: Lokale Widerstandszellen bilden, Informationen über den Feind sammeln und durch Angriffe aus dem Hinterhalt Chaos verbreiten.

CIA-Lageplan zum Versteck bei der Sieveringer Straße (Quelle: www.foia.cia.gov)

US-Waffenlager in Österreich

Die CIA, selbst erst 1947 gegründet, koordinierte den Aufbau dieser Spezial- und Guerillaeinheiten in ganz Westeuropa. Agiert wurde in allen NATO-Staaten, aber auch in neutralen Ländern wie Finnland, Schweden und der Schweiz. In Italien trug die Struktur den Decknamen „Gladio“, was seither zum Synonym für Staatsterror geworden ist. Denn die Einheit soll auch gegen den „inneren Feind“, die starke kommunistische Partei, mobilisiert worden sein. Und Österreich? 1996 wurden nach Information durch die USA 79 Waffenlager lokalisiert: Darin fanden sich mehrere Tonnen Sprengstoff, Landescheinwerfer, Schalldämpferpistolen und Jagdmesser – aber auch deutschsprachige Anleitungen für den Guerillakrieg. „Das lässt darauf schließen, dass die Lager – zumindest auch – für österreichische ‚Widerstandskämpfer‘ angelegt worden waren. Zur Unterstützung eines Guerillakrieges mit eventueller Unterstützung aus der Luft (Nachschub von Waffen und Ausrüstung)“, heißt es im Bericht einer eigens eingerichteten Regierungskommission. Angelegt wurden die Lager zwischen 1949 und 1954. Genauer ließ sich ihre Funktion sowie eine mögliche österreichische Beteiligung damals noch nicht bestimmen.

Bäckerstraße 7, Wien 1: Im zweiten Stock wurde Material für das stay behind-Programm verwahrt (Foto: Autor)

Operation Iceberg

2006 erschien „My Father, the Spy“ – ein sehr persönliches Buch des Autors John F. Richardson über seinen Vater „Jocko“, der Ende der 1940er Jahre CIA-Stationschef in Wien war. Darin ist auch Rede davon, dass die CIA österreichische Funker rekrutierte und Funkgeräte an ausgewählten Punkten innerhalb der sowjetischen Zone vergraben ließ. Die neuen Dokumente beziehen sich teils auf dieses Unternehmen, das nun erstmals offiziell beim Namen genannt werden kann: „Operation Iceberg“.

Ein weiteres Funkgerät-Versteck: Buschstreifen nahe der Himmelstraße (Foto: Autor)

Die dafür angeworbenen stay behind-Agenten sollten nach Ausbruch von Kampfhandlungen die versteckten Funkgeräte bergen, um damit Informationen durchzugeben. Was sie nicht tun sollten war, sich an Sabotage- oder Widerstandsakten zu beteiligen. 1953 zählten zu „Operation Iceberg“ insgesamt sechs österreichische Funker, die ihre Ausbildung großteils abgeschlossen hatten und instruiert waren. Wie aus einem CIA-Dokument hervorgeht, erwartete man von ihnen im Kriegsfall das Beschaffen/Durchgeben von Informationen bezüglich:

  • Straßen- und Schienenbewegungen zwischen Wiener Neustadt-Graz sowie auf der Hauptroute über den Semmering
  • Beobachtungen von Truppenstationierungen in Wiener Neustadt bzw. des dortigen Flugfelds
  • Aufklärung von Bombenschäden in Wien und Wiener Neustadt (um so die Effektivität von Luftangriffen einzuschätzen)
  • „Operational intelligence“ zur sowjetischen Besatzungsadministration (Dokumente, Reise- und Postkontrolle)
  • Aktivitäten der KPÖ und der „Marionettenregierung“, die die Kommunisten nach Meinung der CIA installieren würden

Die sechs Agenten für „Operation Iceberg“ waren fast durchwegs Wehrmachtsveteranen und von daher mit der Handhabung eines Funkgeräts vertraut. Vom Alter her waren sie bunt gemischt, der älteste 46 und der jüngste 23 Jahre alt. Einer der Funker war Tierarzt in einem Dorf südwestlich von Wien – für die CIA war das perfekt als zivile Tarnung geeignet. Aufgrund seiner Erfahrung als Funker bei der Heeresgruppe Süd war der frühere Unteroffizier nach Meinung seiner Betreuer allerdings nicht leicht unter Kontrolle zu halten. Ein weiterer Agent, ein damals 32jähriger Elektriker und KPÖ-Funktionär, sollte vor allem das Personal, die Organisation und die Vorhaben der Kommunisten aufklären. Seine Homosexualität wurde jedoch als potentielles Sicherheitsrisiko angesehen, weil der Agent dadurch „erpressbar“ sei. Ein stiller, introvertierter Typ wiederum war der 26jährige Medizinstudent, den man für „Operation Iceberg“ rekrutiert hatte: Streng katholische Erziehung und „bürgerliche Moral“ hatten ihn zu einem überzeugten Antikommunisten gemacht. Die übrigen drei Agenten waren ein technischer Zeichner, ein Betriebsaufseher und passenderweise ein Verkäufer von Radioapparaten. Falls die Rote Armee tatsächlich nach Westen vorgestoßen wäre, wären diese Freiwilligen quasi die „Augen“ und „Ohren“ der Alliierten gewesen. Alleine schon dadurch, dass sie sich mit der CIA einließen, riskierten sie viel. So vermutete die CIA, dass den Sowjets die militärische Vergangenheit einiger der Agenten bekannt war – was deren „stay behind-Lebensdauer“ verkürzen würde.

CIA-Lageplan zum Versteck in der Nähe der Himmelstraße (Quelle: www.foia.cia.gov)

GRCROOND

In Westösterreich – Salzburg und Tirol – zog die CIA noch ein viel breiter dimensioniertes stay behind-Netz hoch. Ziel des Programms mit der sperrigen Bezeichnung „GRCROOND“ war es, Waffen- und Ausrüstungslager anzulegen sowie passendes Personal zu rekrutieren – damit die Strukturen im Ernstfall jederzeit bereit gewesen wären, loszuschlagen. Auch wollte man eine „Flucht- und Evakuierungsroute“ von Ost- nach Westösterreich anzulegen, deren Zubringer bis an die ungarische sowie tschechische Grenze heranreichten. VIPs, aber auch abgeschossene Piloten, Agenten oder Überläufer sollten so in Sicherheit gebracht werden.

1948 waren im Zuge von „Operation Iceberg“ vier Funkgeräte an die Salzburger CIA-Station zum Vergraben übergeben worden. In den darauffolgenden Jahren wurden die Kapazitäten deutlich erweitert. Aus einer Auflistung von 1957 geht hervor, wie viele geheime Waffen- und Ausrüstungslager angelegt wurden: 12 (1951), 14 (1952), 3 (1953) und 35 (1954). Die Depots wurden teils in alpinen Geländen – am Hochschwab, im Sengsengebirge, am Pötschen- und Phyrnpass angelegt – und darüber hinaus unter anderem in der Nähe von Lambach, Ried im Innkreis, am Traun- und Attersee, Bad Hofgastein und südlich von Steyr. Ein Vergleich mit einer Auflistung jener Waffendepots, die 1996 vom Bundesheer geräumt wurden, zeigt zahlreiche Übereinstimmungen. Damals hatte sich gezeigt, dass die Waffen und Sprengmittel „ungewöhnlich tief“ vergraben gewesen waren – so tief, dass es bei Schneelage und Frost kaum möglich gewesen werde, diese händisch zu bergen. „Dies spricht gegen eine sorgfältige Planung bzw. Durchführung der Aktion“, schloss der Untersuchungsbericht. Die genaue Funktion der 79 Depots hatte dmals aber nicht geklärt werden können – nun stehen erstmals Unterlagen zur Verfügung, die den Zweck und die Entwicklung des CIA-Programms nachvollziehbar machen.

Ausbildung durch US-amerikanische Special Forces

Ein Status-Report von Ende 1958 listet insgesamt 18 verschiedene Agenten auf. Der jüngste ist 30, der älteste 59 Jahre alt. Es handelt sich um eine bunt gemischte Truppe: Zwei Ski-Lehrer, ein Arzt, ein Automobilhändler, ein Assistent eines Rechtsprofessors, ein Englisch-Lehrer, ein Chauffeur, ein Handelsreisender, ein Verkäufer, ein Elektriker, ein Handelschul-Lehrer, ein Lagerverwalter, zwei Beamte, ein Vorarbeiter sowie drei lokale ÖVP-Politiker. Vor allem letztere waren für die CIA interessant: Der damals 40jährige Agent „GRREPAIR-7“ beispielsweise war Gemeindesekretär, Vorsitzender des örtlichen Veteranenverbands und Versicherungsvertreter. Im Falle einer kommunistischen Machtübernahme würde man ihn wahrscheinlich als „Volksfeind“ politisch entmachten und verhaften, erwartete die CIA. Im Kriegsfalle sollte er so schnell als möglich all jene rekrutieren, die ihm für eine Verwendung tauglich erschienen. Anschließend würde es darum gehen, Luftnachschub oder abgesetzte Special Forces-Soldaten in Empfang zu nehmen. Vor allem aber würden der Agent und seine Truppe auf genaue Anweisungen warten – und sofern befohlen auch Sabotageakte durchführen.

„GRBLAMRD-26“, ebenfalls ein 59jähriger Lokalpolitiker, wurde dagegen schon als zu alt und militärisch zu unerfahren angesehen. Dagegen war „GRRERPAIR-4“, ein prominentes Mitglied einer Bezirksregierung, zur sofortigen Evakuierung im Falle eines sowjetischen Angriffs vorgesehen – sein offener Antikommunismus und sein detailliertes Wissen über die stay behind-Operationen ließen keine andere Wahl. Nicht alle der Agenten waren voll bei der Sache oder physisch fit: Einer der beiden Ski-Lehrer litt nach einem Sturz vom Lift unter Gedächtnisschwäche, während der 34jjährige Englischlehrer überhaupt wenig Interesse am Spionage-Training zeigte. Neben finanziellen Aspekten bestand seine Motivation vor allem darin, gegen den Kommunismus zu arbeiten und „kulturellen Kontakt“ zu native speakern zu pflegen.

Die stay behind-Agenten wurden entsprechend ausgebildet – und zwar durch Experten auf dem Feld der Guerilla- und Partisanenkriegsführung: Seit 1953 war im bayrischen Bad Tölz die 10. Special Forces Group stationiert. Neun Jahr später sagte deren Befehlshaber begeistert zu, die Österreicher zu trainieren. Für ausgewählte Teilnehmer gab es einen einwöchigen Kurs – auf dem Curriculum standen:

  • „Vertrautmachen“ mit all jenen Schusswaffen, die der Agent in seinem Wirkungsbereich benötigen würde
  • Sprengausbildung
  • Funken
  • Orientierung im Gelände mit Karte und Kompass
  • „Luft-Nachschub“ organisieren, d.h. die Agenten mussten eine passende Landezone für Abwürfe von Flugzeugen auswählen und diese mit Signallampen markieren
  • Überlebenstraining im alpinen Gelände

Beispielsweise wurde der Agent mit dem Codenamen „GRIMPASTE“ im Mai 1962 von den „Ledernacken“ so richtig in die Mangel genommen: Sein Überlebenstraining schloss das Kochen und das Zubereiten eines lebenden Hasen mit ein. Eigentlich war dasselbe Schicksal für ein Huhn angedacht gewesen. Aber dieses sprang noch rechtzeitig aus der Box und nahm Reißaus. Ein Sergeant nahm mit einem Beil in der Hand die Verfolgung auf, hatte aber das Nachsehen.

Funkgerät-Versteck nahe Himmelstraße (Foto: Autor)

Eingestellt von Thomas Riegler um 00:56

„Stay behind“ in Österreich : Der „Kern“ für eine österreichische Guerilla

Die genaue Rolle der österreichischen Nachkriegspolitik in all den geheimdienstlichen Manövern und Planspielen zu stay behind ist am undurchschaubarsten. Aus einem Dokument zu „Operation Iceberg“ von 1951 geht jedenfalls hervor, dass die CIA eine Kooperation mit dem Innenministerium anstrebte – im Austausch für finanzielle und andere Hilfen. Die politische Situation hatte aber noch nicht den Punkt erreicht, wo es „günstig“ war, Entscheidungsträger darauf anzusprechen. Vorbereitungsbesprechungen hatten aber bereits stattgefunden.

Siehe dazu auch: Christoph Franceschini und Thomas Riegler, Guerillas für den Dritten Weltkrieg, in: profil, Nr. 2/2015, S. 36-39


Aufbau bewaffneter „Widerstandsgruppen“

Als 1996 die US-Waffenlager bekannt geworden waren, hatte sich ein Zeitzeuge zu Wort gemeldet – der 2014 verstorbene Widerstandskämpfer und Verleger, Fritz Molden. Als Sekretär von Außenminister Karl Gruber war er damals in die Vorgänge eingeweiht. Molden zufolge wurde bereits 1946 „im engsten Kreis“ besprochen, was für den Fall der Errichtung des Eisernen Vorhangs innerhalb Österreichs zu tun sei: Der Aufbau bewaffneter „Widerstandsgruppen“ mit Unterstützung der USA. Molden wusste, von was er sprach. In einem CIA-Memo von 1953 heißt es zu „GRSPINAL 1“: „Hauptagent, leitet das redaktionelle und geschäftliche Management von zwei Tageszeitungen und einer Wochenillustrierten.“ Das ist eine exakte Beschreibung von Moldens damaliger Geschäftstätigkeit als Verleger.

Fritz Molden 2010 (Quelle: Wikimedia Commons)

Gar nicht harmlos: Der „Österreichische Wander-, Sport und Geselligkeitsverein“

Konkret war Anfang der 1950er Jahre innerhalb des Gewerkschaftsapparats eine „systematische Abwehrorganisation“ entstanden. Vorangetrieben wurde dieses „Sonderprojekt“ vom späteren ÖGB-Präsident und Innenminister Franz Olah. Zwecks Tarnung liefen alle Aktivitäten über einen eigens gegründeten Verein namens Österreichsicher Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein (ÖWSGV).

Wie Olah in seinen Erinnerungen betont, war das zentrale Element des „Sonderprojekts“ der Aufbau eines Funknetzes. So wurden in allen Bundesländern (mit Ausnahme von Vorarlberg) in den Hauptstädten Funkgeräte installiert – in Niederösterreich auch in Wiener Neustadt, St. Pölten und Krems. Das stellte die Koordination der verschiedenen ÖWSGV-Gruppen sicher – diese waren nicht nur mobil, sondern auch schlagkräftig: „Wir hatten Jeeps, Geländefahrzeuge, Landrover, Motorräder und andere Fahrzeuge. Es erfolgte auch die Ausbildung von Spezialgruppen nicht nur in modernen, leicht zu handhabenden Schusswaffen (Schnellfeuerwaffen), in modernem Sprengstoff (Plastiksprengstoff)  sowie in der Ausbildung von Judogruppen.“  Als Olah 1969 vor Gericht gefragt wurde, woher die Angehörigen des „Sonderprojekts“ ihre Kenntnisse hatten, antwortete er: „Sie waren im Krieg. Aber ihre Kenntnisse wurden von Fachleute in Ausbildungslagern aufgefrischt, sie wurden ja eigens geschult.“

In der Wiener Liebhartsgasse befand sich ein Depot, weitere Waffenlager wurden im Westen, außerhalb der sowjetischen Zone, eingerichtet: „Die eigentlichen großen Lager (zwei oder drei) von Waffen aller Art waren unter Doppelsperre. Ich hatte die Möglichkeit, mit einer zweiten Person gemeinsam erforderlichenfalls davon Gebrauch zu machen. […] Im Salzburgerischen, in Golling, lagerte die Winterausrüstung für eine komplette Kompanie. Ein Angestellter der Stadt Wien, ein ausgebildeter Waffenmeister, war freigestellt, um unsere Ausrüstung in Schuss zu halten – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Olah selbst hatte in einem Stahlschrank in seinem Büro „einen kleinen Vorrat an Waffen bis hin zu Maschinenpistolen, um uns im Notfall den Weg freizumachen“. Außerdem verfügte man über eine „große Zahl“ von Tränengasbomben, „deren Einsatz wäre bei Unruhen am Anfang viel wirksamer und auch viel vernünftiger gewesen als sofort zu schießen“. Mehrere Regierungsmitglieder – Innenminister Oskar Helmer, Gewerkschaftsbundpräsident Johann Böhm und Bundespräsident Adolf Schärf – sollen laut Olah über das Sonderprojekt informiert gewesen sein, „allerdings ohne Kenntnis der Details der Organisation“. Insgesamt, so Olah, seien „wohl ein paar tausend Österreicher  mit unseren Vorbereitungen in Kontakt gekommen“. Der eigentliche Apparat bestand jedoch nur aus ein paar Dutzend Leuten, „meist Gewerkschafts- oder SPÖ-Funktionäre aus den Bundesländern; einige von ihnen sind später Mandatare geworden“.

Der Staatsvertrag und die Neutralität stellten kein Hindernis dar

Wie aus den neuen Dokumenten hervorgeht, hatte die Unterzeichnung des Staatsvertrags keineswegs das Ende für die geheimen Aktivitäten im „neutralen“ Österreich bedeutet: 1955 wurden insgesamt 12 Sabotage- und 10 „air-receiption“-Lager angelegt (die Ausrüstung in letzteren Depots dürfte dazu gedient haben, Landeplätze für Luftnachschub zu markieren). Erst in den frühen 1960er Jahren wurden infolge der sich „ändernden Situation“ die Leitlinien des stay behind-Programms GRCROOND geändert: Trotz der nunmehr angenommenen Unwahrscheinlichkeit eines kommunistischen Putschs wurden die vorhandenen Aktivposten weiter geführt. „Sowjetische Aggression“ war immer noch im Bereich des Möglichen. Allerdings wollte die CIA die Verantwortung für Sabotagemaßnahmen im Kriegsfall zunehmend an österreichische Kräfte abtreten.

„GRDAGGER Organization“

Damit war in erster Linie Olahs Truppe gemeint. Aus den neuen CIA-Dokumenten geht hervor, dass die CIA diese „GRDAGGER-Organisation“ für Guerilla- und Sabotageakivitäten am Hochschwab und im Greinerwald nutzbar machen wollte und zu diesem Zweck auch in Ausbildungsmaßnahmen investierte. Zuversichtlich stimmte die CIA, dass Olahs Verband über gute Beziehungen zu mächtigen Regierungskreise verfügte und antikommunistisch orientiert war. Über Olah (GRDAGGER 1) hieß es, er habe ein starkes Interesse daran, sich als Widerstandsführer zu profilieren, sollte es zum Krieg kommen. Ende 1955 bestand die „GRDAGGER-Organisation“ aus 20 Personen, von der sich die CIA gute Chancen ausrechnete, einen  effektiven „Kern“ für eine österreichische Guerilla zu bilden: „Wir schätzen, dass die GRDAGGER-Organisation innerhalb von sechs Monaten nachdem der Krieg ausgebrochen ist auf 250 Mann angewachsen sein wird. GRDAGGER besteht aus Angehörigen einer SPÖ-nahen Gewerkschaft mit 40.000 Mitgliedern, von denen viele als potentielle Rekruten für Widerstandsgruppen im Kriegsfall angesehen werden können.“

Auszug aus CIA-Dokument zur GRDAGGER-Organization (Quelle: www.foia.cia.gov)

Spuren verwischt

Bedauerlicherweise existieren dazu in österreichischen Archiven praktisch keine Unterlagen: Olah hatte seine Spuren penibel verwischt. Schon in den 1960er Jahre wurden alle Akten zum „Sonderprojekt“ durch den Reißwolf geschickt. Der ehemals mächtige Olah hatte sich selbst ins Aus manövriert – unter anderem wegen eigenmächtiger Verwendung von Gewerkschaftsgeldern musste er 1964 zurücktreten und wurde fünf Jahre später zu einer Haftstrafe verurteilt. Olah, der 2009 verstarb, hielt sich zeitlebens bedeckt. Ob und wenn ja in welcher Form die österreichische Beteiligung an stay behind weiterging, darüber könnten US-Akten Aufschluss geben, die heute noch unter Verschluss gehalten werden. Erwiesen ist nun allerdings wie substantiell das an sich neutrale Nachkriegsösterreich ins westliche Lager eingebunden war – und in welchem Ausmaß sich heimische Politiker und Freiwillige für die US-Kriegspläne engagierten.

Auszug aus CIA-Dokument (Quelle: www.foia.cia.gov)

“Sorry Guys, no Gold“

Erkenntnisse aus der Verteilung der Waffendepots in Österreich und Anmerkungen zum militärischen Teil der Bergung, gehalten von

Autor: Brigadier Christian SEGUR-CABANAC

im Rahmen der Tagung am 28 02 97 im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.

Zur Ausgangslage:

Das Büro des Bundeskanzlers informierte am 20 01 96, es war dies ein Samstag, die österreichische Öffentlichkeit via APA-Aussendung über folgenden Sachverhalt.

Zitat: “Bundeskanzler Franz VRANITZKY hat heute im Bundeskanzleramt in WIEN US-Botschafterin Swanee HUNT auf ihren Wunsch zu einem rund einstündigen Gespräch empfangen. Bei dieser Unterredung informierte HUNT den Bundeskanzler, dass in den USA Unterlagen aufgetaucht seien, wonach die amerikanische Besatzungsmacht Anfang der 50er-Jahre rund 80 Waffenverstecke in der amerikanisch besetzten Zone ÖSTERREICHS, vor allem in SALZBURG, angelegt habe. Die österreichische Regierung, so HUNT, sei von der Existenz dieser Waffenverstecke nicht in Kenntnis gesetzt worden. Die Verstecke enthielten Gewehre, Pistolen und Sprengstoff, jedoch keinerlei ABC-Waffen. Die USA arbeiten nach Auskunft der Botschafterin an einer Liste mit den genauen Örtlichkeiten der Verstecke.

Bundeskanzler VRANITZKY gab gegenüber HUNT seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass ÖSTERREICH erst jetzt von diesen Verstecken informiert werde. “Es entspricht nicht den ausgezeichneten Stand der Beziehungen unserer Länder, dass wir erst jetzt von diesen Verstecken erfahren“, sagte VRANITZKY am Nachmittag wörtlich.“ Jetzt geht es aber darum, gemeinsam mit den US-Behörden so rasch wie möglich die genauen Plätze der Verstecke ausfindig zu machen, festzustellen, was darin an Waffen liegt, und diese sofort einzuziehen. Ich habe den Innen- und den Verteidigungsminister sowie die Landesregierungen gebeten, sich der Sache anzunehmen und im engen Kontakt mit mir die weiteren Veranlassungen zu treffen“, schloss VRANITZKY.

Was war geschehen?

Der Reporter Paul QUINN-JUDGE, von der amerikanischen Zeitung BOSTON GLOBE, hatte unter Berufung auf einen amerikanischen Kongressausschuss, welcher mit der Auswertung von CIA-Akten befasst war, in der Samstagausgabe seiner Zeitung von den vergessenen Waffenverstecken“ in ÖSTERREICH berichtet. Nachdem diese Angelegenheit öffentlich geworden war, sah sich die amerikanische Botschafterin in ÖSTERREICH trotz Wochenendruhe gezwungen, die österreichische Staatsspitze von den Vorgängen zu informieren. Die österreichischen Tageszeitungen berichteten in ihren Ausgaben vom Sonntag, 21 01 96, ausführlich über die Vorgänge.

Zitat Kurier, Ausgabe 21 01 96: “Seit den 50ger Jahren sind an 79 verschiedenen Stellen in ÖSTERREICH Waffen und Explosivstoffe aus US-Beständen versteckt. Die Lager waren seinerzeit für den Fall eingerichtet worden, dass die SOWJETs ÖSTERREICH überrennen sollten und ein Partisanenkampf notwendig wäre. Dies teilte die US-Botschafterin Swanee HUNT gestern völlig überraschend dem Bundespräsidenten, dem Kanzler sowie Vizekanzler SCHÜSSEL, Verteidigungsminister FASSLABEND und Innenminister EINEM mit.“ Zitat Ende.

Diplomatischer Hintergrund: Ein Ausschuss des US-Kongresses, der den Geheimdienst CIA durchleuchtet, stieß schon vor einiger Zeit auf Dokumente über diese, anscheinend auch der US-Regierung unbekannten Lager. Da die Beamten in WASHINGTON bisher nicht herausfinden konnten, wo genau die Waffen liegen, wollten sie mit der Weitergabe der Information nach ÖSTERREICH noch warten. Die Waffen- von denen laut CIA-Unterlagen die Wiener Regierung nichts wusste- sollen hauptsächlich in SALZBURG versteckt sein. Botschafterin HUNT sagte gegenüber dem Kurier, sie wolle sich persönlich entschuldigen, dass der österreichischen Regierung die Tatsache  dieser Verstecke bisher nicht bekannt geworden sei. Sie Verwies auf das traditionell gute Verhältnis zwischen USA und ÖSTERREICH und auf den indirekten Schutz, den die USA im Kalten Krieg geboten hätten. Sie werde versuchen, so rasch wie möglich Informationen über die genaue Lage der Verstecke zu bekommen. Nach den Unterlagen enthält jedes Depot Gewehre, Munition und Sprengstoff,   die jeweils für eine Partisanenkompanie von etwa 200 Mann ausgereicht hätten. In der Kronen Zeitung vom 21 01 96 wird zum Thema berichtet: “Die Depots mit Maschinengewehren, Pistolen, Munition und Goldmünzen sind vom amerikanischen Nachrichtendienst CIA vermutlich sogar ohne Wissen des Weißen Hauses  und des Außenministeriums- in den 50er Jahren für den Fall eines Abwehrkampfes der Bevölkerung gegen ein sowjetisches KP-Regime in ÖSTERREICH eingerichtet worden.“ Erstmals wird in dieser Ausgabe der Kronen Zeitung auf die Erinnerungen des seinerzeitigen Gewerkschaftsbundpräsidenten und Innenminister Franz OLAH verwiesen. Zitat: “Wie Franz OLAH in seinen Erinnerungen schreibt, hat der Gewerkschaftsbund nach dem kommunistischen Putschversuch im Oktober 1950 mit dem Aufbau einer systematischen Abwehrorganisation für den Fall einer neuerlichen Machtprobe mit den Kommunisten begonnen.“ Die Rolle der USA wird vom damaligen Gewerkschaftssekretär OLAH so dargestellt. “Ich empfing von niemandem Befehle. Aber kein Zweifel- die USA waren unsere stärkste Stütze- ja unser Verbündeter.“ Zitat Ende. Im gleichen Artikel wird auch darauf hingewiesen, dass auch die Briten in ihrer Besatzungszone Waffenlager angelegt hätten. Diese wurden jedoch bereits in den frühen 60er Jahren nach Information der Briten durch die Sicherheitsbehörden aufgespürt und geräumt.

Ein weiterer Zeitzeuge kommt in einem Interview mit der APA am 21 01 96 zu Wort: Zitat: “Die von den USA bekanntgegebenen Waffenlager in ÖSTERREICH seien Teil einer breiten Widerstandsstrategie für den Fall einer sowjetischen Okkupation gewesen, die nicht von den Amerikanern, sondern “streng geheim“ von der österreichischen Regierung ausging.“ Zitat Ende. Dies erklärte Fritz MOLDEN, Widerstandskämpfer und nach dem Krieg Verleger, am Sonntag auf Anfrage der APA zu den jüngsten US-Angaben. MOLDEN arbeitete an dem Projekt selbst mit- und zwar dahingehend, Verbindungen zwischen österreichischen und amerikanischen Organisationen herzustellen. Er stellte auch einen Zusammenhang zu der sowjetischen Verhaftungswelle im Jahr 1948 her: “So sei Margarethe OTTILLINGER wegen ihrer Mitarbeit an dieser Sache nach SIBIRIEN verschleppt worden. Gelaufen seien diese Planungen schon seit 1948“, sagte MOLDEN. “ Das war eine österreichische Sache, natürlich in enger Zusammenarbeit mit den Amerikanern!, führte Fritz MOLDEN aus. Mindestens fünf Regierungsmitglieder hätten gemeinsam mit einem Kreis von Nazi- Widerständlern Vorkehrungen gegen eine SOWJET- Okkupation geplant. MOLDEN nannte namentlich Kanzler Leopold FIGL, Vizekanzler Adolf SCHÄRF, Innenminister Oskar HELMER, Außenminister Karl GRUBER und Ferdinand GRAF, Staatssekretär im Innenministerium. Letzterer sei weitgehend für die Durchführung verantwortlich gewesen. “Nicht von ungefähr“ sei GRAF später Verteidigungsminister geworden, sagte MOLDEN. Waffenlager seien nicht nur in SALZBURG, sondern auch im Osten ÖSTERREICHs- in NIEDERÖSTERREICH und im BURGENLAND angelegt worden. Auch die jeweiligen Landeshauptleute hätten damals von der Sache gewusst. Waffen und Funkgeräte seien über amerikanische Soldaten in die sowjetische Zone gebracht worden. Die ganze Sache sei “streng geheim“ gewesen, die Regierung habe in keiner Weise damit in Zusammenhang gebracht werden dürfen. Deshalb habe die Regierung auch nicht viel für die 1948 in diesem Zusammenhang nach RUSSLAND Verschleppten tun können, sagte MOLDEN. Die von ihm genannte Margarethe OTTILLINGER war Leiterin der Planungssektion im Ministerium für Vermögenssicherung und wurde 1948 im Alter von 29 Jahren von einer Spezialeinheit des KGB an der Ennsbrücke bei St. VALENTIN verhaftet. Nach Verhören, Folterungen und Selbstmordversuchen wurde sie zur Höchststrafe von 25 Jahren Straflager verurteilt. Sie kam in verschiedene Lager in RUSSLAND, 1955 wurde sie entlassen. Auch ihn hätten die Russen “schnappen“ wollen, berichtete MOLDEN. Deshalb sei er im Sommer 1948 nach SALZBURG und später nach NEW YORK geflohen. In NEW YORK habe er gemeinsam mit dem späteren Botschafter Martin FUCHS für die “Sache“ gearbeitet und Kontakte zwischen Österreichern und Amerikanern hergestellt- zwischen “hohen Regierungsfunktionären, aber auch anderen wichtigen Organisationen, wie z.B. Gewerkschaften“.

Dem Standard gegenüber wollte Franz OLAH am 22 01 96 keine Kommentare zu den Aufdeckungen über die US- Waffenlager geben. Der Standard zitiert daher aus dem Buch OLAH Franz. Die Erinnerungen. Verlag  Amalthea,: “ Nach dem Oktober 195ß begannen wir mit dem Aufbau einer systematischen Abwehrorganisation für den Fall einer neuerlichen Machtprobe mit den Kommunisten….. . In der Liebhartgasse in OTTAKRING befand sich eines unserer Depots, in der Missindorfstraße ein Teil unseres Fuhrparks. Im Westen, außerhalb der sowjetischen Zone, wurden weitere Waffenlager eingerichtet. Die eigentlichen großen Lager (zwei oder drei) von Waffen aller Art waren unter Doppelsperre. Ich hatte die Möglichkeit, mit einer zweiten Person gemeinsam erforderlichenfalls davon Gebrauch zu machen.“ Zitat Ende. Dass es dabei um eine paramilitärische Organisation ging, zeigt folgender Abschnitt: “Im Salzburgischen, in GOLLING, lagerte die Winterausrüstung für eine komplette Kompanie. Ein Angestellter der Stadt WIEN, ein ausgebildeter Waffenmeister, war freigestellt, um unsere Ausrüstung in Schuss zu halten- im wahrsten Sinne des Wortes. Auch ich hatte im Stahlschrank in meinem Büro immer einen kleinen Vorrat an Waffen bis hin zu Maschinenpistolen, um uns im Notfall den Weg frei zu machen.“ Zitat Ende. OLAH schildert, dass das US- Hauptquartier ihn in der Besatzungszeit- wenn es die Lage erfordert hätte- mit einem Militärjeep zu seinem Geheimsender chauffiert hätte. Wäre die sowjetische Besatzungszone abgeriegelt worden, hätte OLAH ausgeflogen werden sollen, um vom Westen aus die Kämpfe zu leiten. Allerdings handelte er selbständig: “Ich empfing von niemandem Befehle. Aber kein Zweifel- die USA waren unsere stärkste Stütze, ja unser Verbündeter. Ihnen verdanken wir, dass wir die zehn Jahre Besetzung durchstehen konnten. Wir waren eine unabhängige, eigenständige Organisation. An das Geld, das wir erhielten, waren keine Bedingungen geknüpft. Ich besaß das Vertrauen der Geldgeber, denen regelmäßig über die Verwendung der Mittel Rechenschaft gegeben wurde…. . Was uns verband, war das gemeinsame Interesse, einer gewaltsamen Machtergreifung der SOWJETs oder deren Handlanger jeden nur möglichen Widerstand entgegenzusetzen“. Zitat Ende. Dem Kronenzeitungsreporter Dieter KINDERMANN hat Franz OLAH am gleichen Sonntag freilich versichert, dass er von diesen speziellen 79 CIA- Depots nichts gewusst habe. Im neuen Volksblatt vom 23 01 95 erschien unter dem Titel “Ein Wunder, dass es geheim blieb“ folgender Beitrag: “Eigentlich wollte Franz OLAH zu der übers Wochenende zur Causa Prima gewordenen Angelegenheit gar nichts sagen. Noch am Sonntag lehnte er jede Stellungnahme ab.“ Deshalb stützen sich einige Medien auf OLAHs vor einem Jahr erschienenen Memoiren (“Die Erinnerungen“)- und zogen prompt falsche Schlüsse: “ OLAH war der Organisator der Depots“, wusste der “Standard“ gestern zu berichten, weil OLAH in seinen “Erinnerungen“ vom “Aufbau einer systematischen Abwehrorganisation für den Fall einer neuerlichen Machtprobe mit den Kommunisten“ geschrieben und die USA als “unsere stärkste Stütze“ bezeichnet hatte. OLAHs Organisation war die Antwort auf den Versuch der Kommunisten, Ende September und Anfang Oktober 1950 Streiks gegen das vierte Lohn und Preisabkommen für einen Umsturz zu nützen. Die österreichische Exekutive wurde damals in der sowjetischen Zone von den Besatzern mit Einsatzverbot belegt. Der Gewerkschaftschef OLAH ließ daher Selbstschutzverbände der Bau- und Holzarbeiter gegen die Kommunisten aufmarschieren. Mit Hilfe der US-Besatzer baute OLAH nach dem Putschversuch besagte “Abwehrorganisation“ auf.

Doch die jetzt für Aufregung sorgenden geheimen US-Waffendepots in ÖSTERREICH  gehörten nicht zu diesem Netzwerk. OLAH zum Volksblatt: “Unsere Organisation, die wir nach 1950 aufgebaut haben, war etwas völlig anderes. Mit den Waffendepots hatte das nichts zu tun. Von ihrer Existenz hat OLAH aber trotzdem gewusst. Und zwar vom damaligen Innenminister Oskar HELMER. Dieser hatte gegenüber OLAH geklagt, dass die SOWJETs der Gendarmerie keine ordentliche Bewaffnung erlauben. OLAH: “HELMER hat gesagt, dass mit Hilfe der amerikanischen Behörden gewisse Vorkehrungen für den Ernstfall geschaffen wurden.“ “Die Depots seien“, so OLAH, “für die Exekutive gedacht gewesen“. Mehr aber will OLAH heute nicht sagen, denn: “Es gibt gewisse Dinge in einem Staat, über die man überhaupt nicht redet. Auch nachher nicht.“ Und so ärgert sich OLAH dass die Leute heute alle so geschwätzig sind. Auch über Fritz MOLDEN, der am Sonntag erklärt hatte, die Waffenlager seien auf Wunsch der Regierung FIGL angelegt worden. OLAH: “Das stimmt zwar, aber ich hätte mich nicht befugt gefühlt, das zu sagen. MOLDEN hat mehr gesagt, als ich gesagt hätte.“ Und so beantwortete OLAH auch die Frage, ob denn diese österreichisch-amerikanische Kooperation auch nach 1955, also nach dem Beschluss der immerwährenden Neutralität, noch weitergepflegt wurde, mit einem klaren: “Was ich weiß, werde ich nicht sagen.“ Nur eine kryptische Anmerkung erlabt er sich noch:“Schau´n Sie, 1956 hat es UNGARN (den von den SOWJETs niedergeschlagenen Volksaufstand) gegeben. Die Bedrohung war noch da…“. Zitat Ende.

Weitere Pressestimmen aus den ersten Tagen der Berichterstattung über die US-Waffenlager: “Zu den möglichen Auffindungsorten der Depots hat der Verleger Fritz MOLDEN gestern im Gespräch mit der “Krone“ darauf hingewiesen, dass die meisten Lager in der damaligen sowjetischen Besatzungszone waren.“ “So wurde ein Kohlebergwerk am SCHNEEBERG als Ziel ebenso ausgewählt wie aufgelassene Fabrikshallen in NIEDERÖSTERREICH“ sagt Fritz MOLDEN. Für Aufregung sorgte MOLDENs Erklärung, die Regierung FIGL habe von der “geheimen Sache“ nicht nur gewusst, sondern sogar initiiert. Allerdings zitiert MOLDEN nur tote Menschen. Einer der lebenden Zeitzeugen, Alt-Bundespräsident Kurt WALDHEIM- damals, von Jänner 1946 an, Sekretär von Außenminister GRUBER- weiß von nichts. Auch der frühere Mitarbeiter GRUBERs, Botschafter STEINER, zweifelt an der Version MOLDENs. Außerdem wäre es ein “österreichisches Wunder“, so STEINER, wenn die Sache bei einem angeblichen Kreis von 150 Eingeweihten geheim geblieben wäre. Die Behauptung MOLDENs, dass er im Spätherbst 1947 im Auftrag der österreichischen Regierung die Errichtung geheimer Waffenlager betrieben hätte, löst in WASHINGTON Verwunderung aus. “Zu diesem Zeitpunkt war von solchen Waffenlagern noch keine Rede“, erklärt man im Staate Departement. Zitat Ende. MOLDEN ist in den USA kein Unbekannter, noch vor Kriegsende heiratete er die Tochter des nachmaligen CIA-Direktors Allan DULLES.

Weiteres Zitat aus “Die Presse“ vom 23 01 96: “Natürlich hat die Regierung damals davon gewusst“, sagt der einstige Innenminister Franz OLAH über die Waffenlager. Er wisse aber weder “wo sie sind, ob es sie überhaupt noch gibt und wie viele angelegt wurden“. Auch OLAH glaubt, man habe die Waffenlager auf Wunsch der Bundesregierung in Auftrag gegeben. Der Ex-Minister erklärt aber, dass man “nach dem Oktober 1950“ andere Waffenlager angelegt habe. Anlass: Die Exekutive in der Ostzone war kaum bewaffnet. Diese Waffenlager seien jedoch später aufgelöst worden. Auch Hugo PORTISCH, der für seine TV-Serie “Österreich II“ genaueste Recherchen anstellte, bestätigte: “Es waren Österreicher die diese Waffenlager gewünscht haben.“ Man wollte sich im Fall eines sowjetischen Angriffes verteidigen können und so einer Neuauflage der Vorwürfe entgehen, die wegen der Untätigkeit bei der deutschen Annexion 1938 gegen ÖSTERREICH erhoben wurden. PORTISCH erinnert insbesondere an seine Ö II-Schilderung über die Auslagerung wertvollster österreichischer Kunstschätze-zwecks eventueller Waffenfinanzierung! Im Anschluss an Ausstellungen in westeuropäischen Hauptstädten wurden die Kunstwerke (nach heutigen Schätzungen im Wert von mehreren Milliarden Schilling) 1948 an Bord eines US-Kriegsschiffes unversichert (!) nach AMERIKA verfrachtet. “Der Transport läuft als geheime Staatsaktion“, heißt es bei PORTISCH. Die Schätze kehren erst 1952 wieder nach WIEN zurück. In Ö II kam der damalige (und 1995 verstorbene) Außenminister Karl GRUBER zu Wort. Am Rande seiner Mitteilungen über die damaligen Evakuierungspläne für die Regierung betonte er: “….die Verschickung unserer besten wichtigsten Bilder nach den USA galt der Mittelbeschaffung für den Fall, dass man handeln musste. Das wurde natürlich nie gesagt….“ PORTISCHs Kommentar dazu: “Diese Mitteilung Karl GRUBERs kam für uns völlig überraschend. “Man fand eine Reihe konkreter Beweise dafür, dass damals die österreichische Regierung einen “für heutige Verhältnisse unglaublichen Entschluss gefasst hatte“.

Auswertung der ausgewählten Quellen und Erkenntnisse aus der Verteilung der Waffenlager:

Die Zitate und Quellenauswahl konnte in diesem Referat aus Zeitgründen naturgemäß nur sehr selektiv dargestellt werden. Ich habe jedoch versucht durch die Wiedergabe der unterschiedlichen Meinungsäußerungen einen breiten Querschnitt über die Kommentare zu geben. Eins fällt dem interessierten Beobachter sicherlich gleich auf: Entweder haben alle Zeitzeugen ein gewollt oder ungewollt selektives Erinnerungsvermögen oder aber sie sprechen von durchaus unterschiedlichen (zeitlich und räumlich) angelegten Lagern mit unterschiedlicher Zielsetzung und anderem Inhalt. Wenn man eine Zusammenfassung der zur Verfügung stehenden Quellen im Hinblick auf Gemeinsamkeiten vornimmt, kommt man zu folgendem Ergebnis:

  1. Anlage der Depots durch die Amerikaner ohne Wissen der österreichischen Regierung
  2. Subvariante zu 1: Anlage der Depots durch den amerikanischen Geheimdienst ohne Wissen (Zustimmung) der amerikanischen Administration und ohne Wissen der österreichischen Regierung.
  3. Anlage der Depots mit Wissen/Duldung der österreichischen Regierung.
  4. Anlage der Depots über Wunsch/Drängen der österreichischen Regierung.

Für eine Bewertung der wahrscheinlichsten Variante muss nunmehr eine Auswertung der Situierung der Lager ins Spiel gebracht werden. Die Lager befinden sich zum Großteil in der amerikanischen Besatzungszone (das gilt auch für die im SALZKAMMERGUT situierten und somit der STEIERMARK zugeschlagenen Lager). Zwei “Ausreißer“ gibt es in dieser Übersicht: Ein Lager im westlichen TIROL im KAUNERTAL, welches aber nach näherer Betrachtung kein Waffenlager, sondern eine Art “toter Briefkasten“ war. Hier dürfte ein Kuvert mit der Situierung des “toten Briefkastens“ ungewollt unter die anderen 79 Kuverts mit den Standorten und Beschreibungen der Waffenlager gerutscht sein. Es wäre eine eigene interessante Untersuchung, wo außerhalb der amerikanischen Besatzungszone es noch derartige “tote Briefkästen“ gegeben hat. Zwei Lager (eines befüllt mit Landungsscheinwerfern, das zweite größte gefundene Lager mit einer Kompanieausstattung) befanden sich in der britischen Besatzungszone im Bereich der WILDALPEN südlich von MATIA ZELL. Hier fällt insbesondere die Nähe zur Wiener Hochquellenwasserleitung und damit die Möglichkeit zu einer Unterbrechung der Wasserversorgung des Ballungsraumes WIEN auf. Bei einer Bewertung der Wahrscheinlichkeit, welche der vorangestellten Möglichkeiten am ehesten zutrifft, sind noch folgende Gegebenheiten ins Kalkül zu ziehen:

Zitat APA-Aussendung vom 22 01 96:

“Der amerikanische Journalist Christopher SIMPSON hat bereits 1991 bei Recherchen für den ORF im US-Nationalarchiv in WASHINGTON Belege dafür gefunden, dass die nach ihrem italienischen Ableger als “Gladio“ bekanntgewordene anti-kommunistische Geheimorganisation vor Abschluss des Staatsvertrages auch in den Westsektoren ÖSTERREICHs bestanden hat und als Vorsorge für einen möglichen Partisanenkrieg geheime Waffendepots angelegt worden waren. Das Untergrundnetz lief hier unter dem Codenamen “Easeful“ was soviel wie “gemütlich“, “gemächlich“ oder “bequem“ bedeutet und auf den österreichischen Nationalcharakter gemünzt gewesen sein dürfte. Die Ermittlungen über “Easeful“, die im April 1991 von Johannes FISCHER im “Inlandsreport“ präsentiert wurden, waren damals mit Unterstützung SIMPSONs von Monika HALKORT und Thaddäus PODGORSKI jun. geführt worden. Danach hatte der Aufbau eines anti-kommunistischen Partisanennetzes eingesetzt, nachdem der Kalte Krieg durch die BERLINER Blockade, die kommunistische Machtergreifung in der TSCHECHOSLOWAKEI (1948) und den Ausbruch des Koreakrieges (1950) “heiß“ geworden war.

Die Planungen der US-Geheimdienste CIC und OSS (Vorläuferin der CIA) liefen darauf hinaus, im sowjetischen Ostsektor ÖSTERREICHs ein Spionage-, Sabotage- und Kommunikationsnetz und in den westlichen Landesteilen eine Guerillatruppe aufzubauen. Bei den US-Streitkräften gab es in diesen Jahren Überlegungen, sich im Falle eines massiven sowjetischen Angriffes über die Alpen nach ITALIEN zurückzuziehen. Die “Easeful“-Partisanen hätten dann das Vorrücken der SOWJETs mit Guerillamethoden nach Kräften behindern sollen.

Die ORF-Rechercheure holten für den “Easeful“-Report als Zeugen neben dem früheren CIA-Chef Willam COLBY, der die Existenz der Geheimtruppe im Großen und Ganzen bestätigte, auch Fritz MOLDEN, damals OSS-Offizier, den langejährigen ÖBG-Präsidenten und späteren Innenminister Franz OLAH sowie Brigadier Alexander BUSCHEK vom Heeresnachrichtenamt (HNaA) vor das Mikrofon. OLAH bestätigte, dass die Gewerkschaftsverbände AFL und CIO die nichtkommunistischen Gewerkschaften in WESTEUROPA bei ihren Bemühungen unterstützten, dem kommunistischen Einfluss in der Arbeiterschaft entgegenzuwirken, wich aber augenzwinkernd der Frage aus, ob und wie viel Geld dafür nach WIEN geflossen sei.“ Zitat Ende.

Eine militärstrategisch/operative Ableitung aus den beschriebenen Erkenntnissen zur Verteilung der Depots lässt daher folgende Schlussfolgerung als wahrscheinlich erscheinen:

Die Anlage der ggstl. 79 Waffendepots, war eine Art der Vorsorge der USA (der alliierten Westmächte) gegenüber einer angenommenen drohenden “Sowjetisierung“ ÖSTERREICHs, ausgehend von der sowjetischen Besatzungszone. Demgegenüber ist die feste Absicht der österreichischen Bundesregierung anzunehmen, gestützt auf die Erfahrungen des März 1938 diesmal keinesfalls den Eindruck aufkommen zu lassen, dass sich ÖSTERREICH  ohne Gegenwehr einer dauerhaften Besetzung/Einverleibung ausliefern würde. Es kann daher mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass die Anlage der Waffendepots durch die USA nicht nur mit Wissen der zuständigen österreichischen Bundesregierung sondern auch mit deren aktiver Unterstützung durchgeführt wurde.

Die Schweizer “Neue Zürcher Zeitung“ hat in ihrer Ausgabe vom 23 01 96 eine weitere Facette der Angelegenheit angeschnitten:

Zitat: “Dass die heutige Regierung und der Bundespräsident von nichts wissen, ist also nicht erstaunlich, höchstens peinlich für sie. Denn eigentlich hätten solche heißen Eisen aus der Welt geschafft werden müssen, als die Lage sich mit dem Abschluss des Staatsvertrags grundlegend änderte. Eine spätere Bereinigung wurde durch die Geheimhaltung erschwert. Die Angelegenheit hat allerdings schon seit 1955 auch eine neutralitätspolitische Seite. Die meisten Mitwisser waren ja in Amt und Würden und an der Ausarbeitung des Neutralitätsgesetztes beteiligt. Der von MOLDEN als für die Durchführung der “Operation Waffendepots“ verantwortlich bezeichnete Staatssekretär Ferdinand GRAF wurde später Verteidigungsminister. Es blieben also wissentlich – nach Inkrafttreten des Neutralitätsgesetzes eindeutig neutralitätswidrig – ausländische Waffen auf österreichischem Boden“. Zitat Ende.

Anmerkungen zum militärischen Teil der Bergung

Grundlage für die Mitwirkung des ÖBH bei der Detektierung und Räumung der US-Waffenlager war ein Ressortübereinkommen zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Landesverteidigung, welches am 25 03 96 für den Bundesminister für Inneres durch MinR Dr. SCHADWASSER und für den Bundesminister für Landesverteidigung von mir unterzeichnet wurden. Darin wurde festgelegt, dass die gemeinsame Aktion des BMI mit dem BMLV auf den einvernehmlichen Verpflichtungen resultierend aus dem § 28 a Abs. 8 i.V. m § 45 Z 3 Waffengesetz i. d. g. F. basiert.

Im Einzelnen wurden darin die Verantwortlichkeiten des BMI und des BMLV der Ablauf des Auskundschaftens und der Bergung sowie die gesetzeskonforme Verwertung der Waffen festgelegt. Weiters wurden Aussagen über Sicherheitsmaßnahmen, Sanitätsvorsorgen bei der Bergung, Fernmeldeverbindungen, Fragen der Information und Auskunftserteilung an Medien und Öffentlichkeit sowie zur Kostenfrage festgelegt. Auch der damals abschätzbare personelle und materielle Aufwand wurde einvernehmlich vereinbart.

Beispielhafte Darstellung von Orginalkuverts mit Inhalt (Lagepläne, Fotografien und verbale Beschreibung der Depots), wie sie durch US-Botschafterin Swanee HUNT an Innenminister Kaspar EINEM übergeben wurden.

Aufstellung über die Leistungen des MBLV in der Zeit vom 22 04 bis

Zum 13 09 96 (Ende des Räumeinsatzes):

 

Einsatzdauer:                                    22 04 bis 13 09 96

eingesetztes Personal:                  86           Mann

713         Manntage

5.893     Arbeitsstunden

 

Personalkosten:                              öS 336.287,33

eingesetzte HKFz:                           36

Fahrleistung:                                     31.872 km

eingesetzte Maschinen:                 6

Betrieb:                                               85 Stunden

geborgene Waffen:                       307 Stk. Pi 11

13 Stk. MARK I

68 Stk. KM 1

8 Stk. KM1/Klap.

16 Stk. 6 cm Bazzoka

37 Stk. 9 cm Bazzoka

177 Stk. MPi M3A1

90 Stk. SMG M3A1

31 Stk. BAR (MG)

11 Stk. G/Springfield

5 Stk. Pi 11 m. Schalldämpfer

2 Stk. Costrine Cal 30

69 Stk. Riffle 03

6 Stk. Folding Stock Carab.

28 Stk. KM2/Klap.

64 Stk. Riffle Cal 30 M1093 A3

30 Stk. MG Cal 30 M1918 A2

4 Stk. LMG Cal 30

2 Stk. Granatwerfer 60 mm

95 Stk. Messer

 

Flurschadenkosten:                       öS 28.784,90

Besondere Vorkommnisse:         keine

 

US-Waffenlagerübersicht

 

Summe:                                                                                                                                            85

  • davon durch AbwA erkundet und mit Unterstützung durch Pioniere

geräumt                                                                                                                                            68

  • nicht zu räumende Lager (ziviles Gerät, Landescheinwerfer)                                   6
  • bereits früher gefundene und geräumte Lager (Gendarmerie, BH,

Zivilpersonen)                                                                                                                                10

  • nicht gefunden (GRÜNAU)   1
Die ausgewählten Inhalte und die Veröffentlichung von Teilen des Referates erfolgt mit  Genehmigung des Verfassers, Christian SEGUR-CABANAC, nunmehr Generalleutnant und Leiter der Einsatzsektion im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport

 

JUWaSCH  bis Jagdkommando

Wie kam es dazu?

Am 11.10.1955 wurde in der KROBATIN-Kaserne in ST. JOHANN i.Pg. aus Teilen der Gendarmerieschulen Oberösterreich I und TIROL I die Infanterieunterstützungswaffen­schule, kurz JUWaSch genannt, als 1. Waffenschule des nach Wiedererlangung der Wehrhoheit in Aufstellung befindlichen Bundesheeres gegründet. Zunächst auf die Ausbildung des Kaderpersonals an den schweren Infanteriewaffen, wie Granatwerfer MG und rPAK, beschränkt, wurde sie 1 Jahr später nach GROSSENZERDORF verlegt und in Infanteriekampfschule unbenannt. Gleichzeitig wurde ihr Aufgabenbereich auf der gesamten ungepanzerten Infanterie, der Jägertruppe ausgeweitet. Die von den Infanterie-Lehrkompanien bzw. Schützenkompanien in KAISERSTEINBRUCH durchgeführt wurden.

1959 erfolgte die Zusammenlegung mit dem Arbeitsstab Infanterie und die Umbenennung in Infanterieschule mit dem Infanterie-Schulbataillon.

Ende 1962 wurde im Zuge der ersten großen Umgliederung des Bundesheeres, inzwischen sind 10 weitere gefolgt, die IS aufgelöst und deren Aufgaben der in SAALFELDEN neu aufgestellten Jägerschule übertragen.

2007 wurde im Zuge der Realisierung des Projektes „ÖBH 2010“ die Jägerschule in ein Gebirgskampfzentrum umgewandelt und deren Aufgaben dem in BRUCK-NEUDORF aufgestellten Institut Jäger der Heerestruppenschule übertragen. Diese übernahm auch die Traditionspflege der vor 35 Jahren gegründeten ARGE-JUWaSch. Es wurden 580 ehemalige Kaderangehörige der ersten infanteristischen Waffenschulen des Bundesheeres der 2. Republik zu einer Kameradschaft eingeladen. Seither werden alle 5 Jahre Kameradschaftstreffen abgehalten, jedes Jahr der Traditionstag gefeiert und monatlich eine Tischrunde in KAISERSTEIN-BRUCH/BRUCK a.d. LEITHA, GROSS-ENZERSDORF und LINZ a.d. DONAU abgehalten.

Die Geschichte des Jagdkommandos

von Siegfried Bognar/Josef Wanetschek

Die Geschichte des Jagdkommandos

Bereits in der ersten Vorschrift für die Infanteriegefechtsausbildung der B-Gendarmerie, der Vorläuferin des Bundesheeres, wurde festgelegt, dass für „besondere Kampfaufgaben“ im Feindgebiet „Kampfkommandos“ eingesetzt werden sollen. Dementsprechend erfolgte beim Aufbau des Bundesheeres nach 1955 die Aufstellung von „Kampfzügen“ im Rahmen der Infanteriebataillone mit spezieller Ausbildung für Aufklärung, Stoßtrupp und kleinkriegsähnliche Unternehmen. Der beste Kampfzug war jener der damaligen Infanteriekampfschule, ein Elitetruppenkörper des jungen Bundesheeres. Er bestand zum Großteil aus Spitzensportlern, die einer fordernden militärischen Ausbildung durch zum Teil kriegsgediente Unteroffiziere unterzogen wurden. Mit der Auflösung der Infanteriekampfzüge der Infanteriebataillone schien jedoch die bis dahin aufgebaute Expertise wieder verloren zu gehen.

Einige weit blickende Offiziere des jungen Bundesheeres – v.a. der neue Leiter der Ausbildungsabteilung ObstdG Lütgendorf – erkannten unter dem Eindruck des Aufbaus von Spezialeinsatzkräften im Ausland die Möglichkeiten für unkonventionell kämpfende Truppen auf dem modernen Gefechtsfeld. Vor diesem Hintergrund war auch die Entsendung von Olt Marolz und Olt Polster zur Fallschirmausbildung nach Frankreich bzw. von Olt Herzog in die USA auf das Special Warfare Center zu sehen.

Der Beginn der Sonderausbildung

Mit der Entsendung von Olt Flödl zur Rangerausbildung nach Fort Benning (USA) wurde im Jahre 1961 der Grundstein zur Etablierung der Spezialausbildung im Österreichischen Bundesheer gelegt. Besonders ObstdG Lütgendorf setzte sich für die Entwicklung von Konzepten zur Führung von Kleinkriegskräften zur Unterstützung konventioneller Truppen ein. In Umsetzung dieser Konzeption wurde 1962 die jährliche Abhaltung von „Kursen für Sonderausbildung“ beschlossen. Als kursführende Dienststelle wurde die damalige Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS) unter dem Kommando von Obstlt Persche festgelegt. Diese hatte den Auftrag, alle Belange der Körperausbildung und des Sportes sowie der militärischen Sonderausbildung im umfassenden Sinn wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund erfolgte an der HSNS die Konzentration von Spitzensportlern und Teilen des ehemaligen Kaderpersonals der aufgelösten Infanteriekampfschule. Damit sollte das vorhandene Know-how im Kleinkriegsbereich erhalten bleiben, zumal sich die Infanteriekampfschule zumindest in Teilbereichen mit der Planung und Durchführung von späh- und stoßtruppartigen Aktionen befasst hatte.

Trotz dieser Maßnahme wurde auf Grund fehlender verfügbarer Ausbildungskapazitäten im Bereich der HSNS Olt Flödl im Jänner 1963 mit der Durchführung des 1. Sonderausbildungskurses beauftragt. Olt Flödl, damals Lehroffizier an der HUOS (Heeresunteroffiziersschule), rekrutierte aus dem gesamten Bundesgebiet geeignetes Ausbildungspersonal, das im Rahmen eines eigenen Ausbildungskurses sechs Wochen vorgestaffelt ausgebildet wurde. U.a. konnte der Kurskommandant den damaligen Judospitzensportler Fhr Mitterbauer, den späteren Kommandanten des III. Korps, als Nahkampfausbildner gewinnen. Die Kursteilnehmer für den ersten Kurs wurden im Rahmen von Werbetouren bei den damaligen EF-Maturanten­kompanien geworben. Der erste Kurs fand vom 2. Mai bis 30. Juni 1963 mit Kursort HSNS, Fasangartenkaserne, statt. Die Kursinhalte waren stark von den Erfahrungswerten des Kurskommandanten, die er im Rahmen seiner absolvierten Rangerausbildung gewonnen hatte, geprägt. Neben einer Spreng-, Fernmelde- und Judoausbildung wurde v.a. im Rahmen von Spähtrupps im steirisch-niederösterreichischen Raum geübt.

Weiterführung der Kurse durch Ausbildungspersonal der HSNS

Im darauf folgenden Jahr wurde Olt Herzog von der HSNS als Kurskommandant für den 2. Kurs eingeteilt. Olt Herzog war ehemaliger Angehöriger der Infanteriekampfschule. Im Rahmen von zwei Auslandsaufenthalten bei den U.S. Special Forces in Fort Bragg konnte er persönliche Erfahrung im Bereich Einsatz und Ausbildung von Spezialeinsatzkräften sammeln. Als Ausbildungsoffizier wurde Lt Wanetschek, Spitzensportler im Fechten und ebenfalls ehemaliger Angehöriger der Infanteriekampfschule, eingeteilt. Der Kurs wurde erstmals als „Jagdkommandokurs“ bezeichnet. Der Begriff „Jagdkommando“ stammt aus dem Ersten Weltkrieg, wo auf dem östlichen Kriegsschauplatz kleine selbstständig operierende Kommandos als „Jagdkommandos“ bezeichnet wurden.

Dieser Kurs hatte in Erweiterung der Ausbildungsziele des 1. Kurses die Ausbildung im Kleinkrieg für Kader und Einjährig-Freiwillige zum Ziel. Die Führung des Österreichischen Bundesheeres hatte sich entschlossen, im Falle einer Aggression gegen Österreich und daraus folgenden Gebietsverlusten „den Kampf der geschlossenen Verbände durch Kleinkrieg zu ergänzen bzw. zu unterstützen“. Hier war u.a. auch geplant, in vom Feind besetzten Gebieten den Kampf mit regulären Kräften – Jagdkommandos – in Form eines Kleinkrieges fortzusetzen. Damit war in weiterer Folge die Grundlage für die Kleinkriegsausbildung an der HSNS gegeben.

Wie sein Vorgänger Olt Flödl war auch Olt Herzog gezwungen, geeignetes Ausbildungspersonal zu rekrutieren und im Rahmen einer vorgestaffelten Ausbildung vorzubereiten. Der Kurs selbst wurde vom 20. März bis 19. Juni 1964 durchgeführt. Von den USA übernommene Ausbildungsinhalte wie die tägliche Körperausbildung mit „Lauftraining und täglichen Zwölf“ wurden eingeführt und dienten später als Vorbild für eine Neustrukturierung der Körperausbildung des gesamten Bundesheeres. Im Rahmen dieses Kurses wurde das Grundkonzept für die Strukturierung der nachfolgenden Jagdkommandokurse gelegt. Die damals vermittelten Ausbildungsbereiche wie Fernmeldedienst, Sprengdienst, erweiterte Schwimmausbildung, Nahkampf, Alpinausbildung, Schieß- und Überlebensausbildung sowie die Beherrschung von Gefechtstechniken im Bereich Aufklärung, Hinterhalt und Überfall zählen nach wie vor zu den Kernbereichen der Jagdkommandoausbildung und wurden im Laufe der Zeit ständig verfeinert und den jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst. Das Schwergewicht der Gefechtsdienstausbildung lag auf der ungesehenen Bewegung bei Tag und bei Nacht. V.a. auf den Marsch abseits von Wegen wurde besonderer Wert gelegt. Viele Ausbildungsziele waren Neuland. Es wurden ständig Einsatztaktiken und Verfahren ausprobiert und durch die gewonnenen Erfahrungen verfeinert. Die Schießausbildung erfolgte mit allen im Bundesheer eingeführten leichten Infanteriewaffen. Die Wasserausbildung wurde – wie auch heute noch – am Neufeldersee durchgeführt und endete mit der Rettungsschwimmerprüfung. Die Sanitätsausbildung, Fernmeldeausbildung einschließlich Tastfunk, Überlebensausbildung und Sommeralpinausbildung in der Koschuta in Kärnten rundeten die damals recht vielseitige Kleinkriegsausbildung ab. Ausbildungsorte waren der Garnisonsübungsplatz Mauer nahe der Fasangartenkaserne sowie die Truppenübungsplätze in Bruckneudorf und Allentsteig.

Im Herbst 1964, unmittelbar nach Kursende, begannen die Vorbereitungen des Lehrstabes II (Kleinkriegsausbildung) für den 3. Jagdkommandokurs. Ausbildungsbehelfe wurden unter Anlehnung an britische und US-Vorschriften erstellt. Im Rahmen des 3. und 4. Jagdkommandokurses (1965/66) wurden die Erfahrungen der vorherigen Kurse umgesetzt und qualitative Verbesserungen im Ausbildungsbereich durchgeführt. So wurde von Olt Wanetschek die Nahkampfausbildung durch neue Karatetechniken verfeinert. Darüber hinaus wurde bereits 1965 eine dreiwöchige Fallschirmausbildung in das Kursprogramm aufgenommen. Diese fand in der Flugfeldkaserne in Wr. Neustadt unter Leitung von Olt Polster, Angehöriger des Fallschirmausbildungszuges der Militärakademie, statt.

Mit der Versetzung von Hptm Herzog in das Kommando HSNS auf den neu geschaffenen Arbeitsplatz „Hauptlehroffizier Kleinkrieg“ übernahm Olt Foidl mit dem 5. Jagdkommandokurs im Jahre 1967 die Jagdkommandoausbildung als Kurskommandant.

Nach der Rückkehr von Olt Wanetschek von seinem US-Aufenthalt bei den Special Forces wurde er Kommandant des Vorschriften- und Versuchsstabs der HSNS mit dem Auftrag, eine Vorschrift für den Kleinkrieg zu erstellen.

Das Jagdkommando als Ausbildungszentrum für die Truppe

Nach der Übernahme des Kommandos der HSNS durch ObstdG Lang, der in Personalunion gleichzeitig auch die Agenden des Leiters der Ausbildungsabteilung B (Sonderausbildung) wahrnahm, war das Jagdkommando auch innerhalb des BMLV entsprechend vertreten. Nicht zuletzt auf Grund seiner Kriegserfahrungen im Kleinkriegsbereich konnte Lang in der konzeptionellen Bearbeitung von Einsatzgrundsätzen für Jagdkommandokräfte neue Akzente setzen. Die selbst gewonnenen Erfahrungen im Rahmen der Jagdkommandokurse wurden mit den Erfahrungen durch die Teilnahme an ausländischen Kursen (Olt Nagy: französischer Kommandokurs am Centre National d’Entrainement Commando, Olt Wanetschek: Special Forces Officers’ Course in Fort Bragg) ergänzt, um ein auf österreichische Verhältnisse angepasstes Ausbildungskonzept zu erstellen. Bereits damals wurde der Ansatz verfolgt, die Jagdkommandoausbildung als Hebel zur Qualitätssteigerung des gesamten Kaderpersonals zu verwenden. Nicht die Aufstellung einer elitären Einheit, sondern der breite flächendeckende Einsatz von jagdkommandoqualifiziertem Personal im gesamten Bundesheer stand an der Spitze der Überlegungen. V.a. der damalige Schulkommandant, ObstdG Lang, beschäftigte sich mit dem Gedanken einer „Kleinkriegsausbildung für alle Truppen“. Nach seinen Vorstellungen sollte der gesamte Infanteriekader in den Kampfformen Hinterhalt und Überfall geschult werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die strukturierte Ausbildung von Militärakademikern und Kaderpersonal im Rahmen der so genannten Jagdkommando-Einweisungskurse zu sehen, die von 1966 bis 1979 durchgeführt wurden. Ziel dieser Kurse war eine Einweisung der Militärakademiker in den Lehrgruppen Jäger in die Taktik und Techniken des Kleinkrieges. Nach einer einwöchigen Einweisungs- und Vorbereitungsphase folgten drei Übungen mit den Themen Kampf gegen feindliche Kleinkriegskräfte, Hinterhalt und Überfall. Diese vierwöchigen Kurse waren eine Fortsetzung der Intentionen der Militärakademie, die angehenden Offiziere in den Kleinkriegstaktiken zu schulen. Bereits 1964 wurde von weit blickenden Offizieren an der TherMilAk Ausbildung zum Themenbereich Kleinkrieg durchgeführt. So wurde im Rahmen der MilAk-Abschlussübung 1964, angelegt vom damaligen Chef des Stabes der TherMilAk, ObstltdG Segur-Cabanac, der Kleinkrieg im Alpenvorland geübt. ObstltdG Segur-Cabanac hat auch einige Jahre später als Autor des Truppendiensttaschenbuches „Kleinkrieg, Kampf ohne Fronten“ einen wertvollen Beitrag bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der Kleinkriegstaktiken geleistet.

Verlegung des Jagdkommandos nach Hainburg

Im Herbst 1967 verlegte das Jagdkommando auf Grund von Problemen mit anderen Truppenkörpern und eingeschränkter Übungs- und Ausbildungsmöglichkeiten von der Fasangarten­kaserne nach Hainburg. Ziel war die Schaffung entsprechender Infrastruktur für die Formierung einer Kompanie. Als Kaserne diente das Schloss Hainburg, eine ehemalige k.u.k. Kadettenschule. Diese war während des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt und notdürftig renoviert worden. Das teilweise verfallene Schloss Hainburg mit seiner rustikalen Umgebung, die Hundsheimer Berge sowie die Donauauen bildeten jene romantische Umgebung, die in Verbindung mit den besonderen Umständen der Sonderausbildung Generationen von Jagdkommandosoldaten prägten.

Im Zeitraum 1968/69 erfolgte in Hainburg auch der Aufbau der legendären Nahkampfbahn, wo Olt Nagy als Ausbildungsoffizier und stellvertretender Kurskommandant seine gewonnenen Erfahrungen vom französischen Kommandokurs einbringen konnte.

Im Jahre 1968 wurden durch die Entsendung von Olt Dworak, Ostv Egartner und Wm Sommer nach Toulon an die französische Kampfschwimmerschule neue Akzente in diesem Bereich gesetzt. Mit der Absolvierung des französischen Kampfschwimmerkurses war nun ein österreichischer Ausbildungskader zur Durchführung der Tauch- und Kampfschwimmerausbildung verfügbar. Darüber hinaus wurde im Lehrstab der HSNS die Funktion „Hauptlehroffizier Tauchen-Kampfschwimmer“ geschaffen. Dieser war für die Planung und Vorbereitung von Tauch- und Kampfschwimmerkursen sowie für die Ausarbeitung von Dienstbehelfen verantwortlich.

Die folgenden Jahre in Hainburg waren von einer weiteren Entwicklung der einzelnen Ausbildungsbereiche geprägt. Im Laufe der Zeit konnte sich das Jagdkommando – nicht zuletzt durch die Zuversetzung von hervorragenden Unteroffizieren – ein entsprechendes Know-how aufbauen. Stellvertretend für viele seien v.a. Wm Heinz (Sprengdienst), Wm Hiess (San), Wm Laimberger (FM-Dienst), Wm Petschnig (Gefechtsdienst), Wm Kvarda (Gefechtsdienst), Wm Gradinger (Pi), Wm Nestaval erwähnt. Diese Unteroffiziere bildeten das Rückgrat des Jagdkommandos und waren über Jahrzehnte für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Techniken und Verfahren in ihren jeweiligen Fachbereichen verantwortlich.

Im Rahmen der CSSR-Krise wurde das Jagdkommando durch den Chef des Stabes des Gruppenkommandos I, ObstdG Wohlgemuth, alarmiert. Mit dem damals verfügbaren ROA-Kurs sowie einer Alarmkompanie der HSNS wurden „Personenschutzaufgaben“ sowie die Sicherung des Kommandogebäudes Theodor Körner durchgeführt. Die in Hainburg verbliebenen Teile wurden zur Grenzraumüberwachung eingesetzt.

Die damalige Situation zeigte, dass das Jagdkommando auf Grund persönlichen Engagements des Kaders durchaus in der Lage war, auf Präsenzaufgaben rasch zu reagieren, obwohl die strukturellen Voraussetzungen nicht gegeben waren.

Im Dezember 1969 wurde mit der Einführung des Ausbildungsbehelfs „Der Kleinkrieg“ des Vorschriften- und Versuchsstabes der HSNS unter der Patronanz von ObstdG Lang im Bereich Kleinkriegstaktik ein weiterer Meilenstein gesetzt. Der Ausbildungsbehelf stellte eine praxisnahe Ausarbeitung für den Kampf im Kleinkrieg unter Anlehnung an britische und US-Vorschriften dar. Dieser Behelf war nicht nur für das Jagdkommando eine ausgezeichnete Ausbildungsgrundlage, sondern wurde auch an der Landesverteidigungsakademie für die Anlage und Ausbildung im Rahmen von Kleinkriegsplanspielen verwendet. Der Ausbildungsbehelf bildete in weiterer Folge die Grundlage für die 1975 erlassene „Vorläufige Ausbildungsvorschrift für das Bundesheer zur Durchführung von Jagdkampf- und Kommandounternehmen“.

In den nächsten Jahren gelang es ObstdG Lang, die Kleinkriegstaktiken in die operativen Planungen des Bundesheeres einfließen zu lassen. Mit der von General Spannocchi implementierten Raumverteidigung gewann der Jagdkampf „als beweglich geführter Infanteriekampf in Flanke und Rücken eines Aggressors“ an Stellenwert im Rahmen der österreichischen Verteidigungskonzeption.

Die Verlegung des Jagdkommandos nach Wr. Neustadt

Mit der Verlegung des Jagdkommandos nach Wr. Neustadt im Jahre 1978/79 wurde die Flugfeldkaserne das Ausbildungszentrum für künftige Jagdkommandokurse.

Die HSNS verfügte damals neben einer Stabskompanie über vier Lehrkompanien. Die 1. und 2. Lehrkompanie war im Wesentlichen für die Agenden des Sportes zuständig. Diesen unterstanden auch die entsprechenden Leistungszentren, die auf ganz Österreich aufgeteilt waren. Die 3. Lehrkompanie Jagdkommando war in Wr. Neustadt disloziert und Trägerin der Jagdkommando- und Sonderausbildung wie Fallschirmspringen und Tauchen.

Sie bestand im Wesentlichen aus dem KpKdo, einem AusbZg, den Lehrzügen JaKdo, FaSch und KS sowie dem Fernspähzug. Die 4. Lehrkompanie wurde auf Grund mangelnder Infrastruktur nie aufgestellt. Jene Soldaten, die auf Arbeitsplätzen der Kompanie saßen, wurden organisatorisch der 3. Lehrkompanie zugeteilt.

Mit 1.10.1981 wurden aus der damaligen KK Kompanie/HSNS im Rahmen der Moborganisation der Sondereinsatzstab (SdEStb) und die Jagdkommandokompanie aufgestellt. Im Mobfall war der SdEStb als zentrale Planungs- und Einsatzleitstelle für Fernspäh- und Kommandounternehmen direkt dem Armeekommando unterstellt. Damit verfügte das Armeekommando über einen Beratungsstab, der in der Lage war, unter Berücksichtigung der operativen Lageentwicklung den Einsatz von Fernspäh- und Jagdkommandokräften zu planen und zu koordinieren und entsprechende Umsetzungsmaßnahmen einzuleiten. Im Rahmen verschiedener Großübungen des Bundesheeres (RVÜ 79, RVÜ 82, Fernmeldestabsrahmenübung 83) konnten der Sondereinsatzstab sowie die Jagdkommandokompanie ihre Leistungsfähigkeit und hohe Einsatzbereitschaft unter Beweis stellen. In diesem Zusammenhang ist auch die Aus- und Weiterbildung des Milizpersonals im JaKdo zu sehen, die bereits damals auf Grund ihrer Konzeption und hohen Qualität vorbildhaft war. Vor diesem Hintergrund ist auch der überdurchschnittliche Ausbildungsstand der JaKdo-Milizsoldaten zu erwähnen, die über die geforderten Waffenübungstagen bzw. Kaderübungen (1. u 2. KÜ für Milizoffiziere und Milizunteroffiziere) hinaus zusätzliche freiwillige Waffenübungen zur Festigung und zum Halten des Ausbildungsstandes absolvieren mussten. Nur durch das hohe Engagement des Milizkaders und die Bereitschaft, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen, ist es dem JaKdo gelungen, die hohe Einsatzbereitschaft im Rahmen der Milizkomponente aufrechtzuerhalten.

Die Aufstellung des Ausbildungszentrums Jagdkampf 1986

Jänner 1986 wurde das Jagdkommando ein eigener Truppenkörper. Eine Trennung von Leistungssport und der Sonderausbildung im Bundesheer wurde durchgeführt. Als Kommandant des Ausbildungszentrums Jagdkampf wurde Obstlt Foidl bestellt. Als Garnison wurde die Flugfeldkaserne in Wr. Neustadt zugewiesen. Den Kernbereich des Ausbildungszentrums Jagdkampf bildeten die ehemalige 3. bzw. 4. Lehrkompanie Sonderausbildung der HSNS unter dem Kommando von Obstlt Unger, die am Flugfeld disloziert waren. Die Aufstellung einer eigenen Schulstruktur zur Ausbildung der Jagdkampfverbände war eine logische Konsequenz in der Umsetzung der Ziele der Raumverteidigung. Darüber hinaus war ein langfristiger Aufwuchs des Mob-Heeres von 186.000 Mann (1. Ausbaustufe 1986) auf 300.000 Mann (Endstufe) mit einem erheblichen Anteil für die raumgebundene Landwehr geplant. Neben der angesprochenen Ausbildung für den Kader der Jagdkampfkurse hatte der Truppenkörper weiterhin die Jagdkommandoausbildung zur Sicherstellung der Nährrate der Mob-Organisation (Sondereinsatzstab und Jagdkommandokompanie) durchzuführen. Darüber hinaus hatte das Ausbildungszentrum den Auftrag, die Durchführung der gesamten Sonderausbildung im Bundesheer sicherzustellen.

Die Grundstruktur des Ausbildungszentrums wurde durch ein Kommando mit Führungs- und Fachstab sowie durch einen Lehrstab mit drei Lehrgruppen gebildet. Letztere deckten v.a. die Bereiche der Lehre und Forschung ab. So war die Lehrgruppe 1 für die Unterstützung der Durchführung der Jagdkampf- (Überlebungsausbildung, Winterkampfkurse) und Jagdkommandoausbildung verantwortlich. Die Lehrbereiche Fallschirmspringen und Luftlandewesen wurden durch die Lehrgruppe 2 abgedeckt. Diese führte die gesamte Fallschirmausbildung des Bundesheeres durch. Neben Ausbildungen für den Eigenbedarf im Rahmen der Jagdkommandoausbildung bzw. der Kaderfortbildung wurden Fallschirmkurse für das JgB 25, für die TherMilAk und HUOS sowie für das Gendarmerieeinsatzkommando COBRA abgehalten. Die Lehrgruppe 3 war verantwortlich für die gesamte Tauch- und Kampfschwimmerausbildung des Bundesheeres. Hier wurden laufend Kurse für das Jagdkommando bzw. für die Pioniertaucher der Pionierbataillone durchgeführt. Weiters wurden Angehörige des Gendarmerieeinsatzkommandos COBRA im gesamten Spektrum der Tauchausbildung ausgebildet.

Darüber hinaus verfügte das Ausbildungszentrum Jagdkampf, das auf Grund seines Auftrages den Schulen zugeordnet wurde, über einen Vorschriften- und Versuchsstab.

Neben einer Stabskompanie, die für die Versorgung des Verbandes zuständig war und als kursführende Dienststelle für Fallschirm- und Tauchkurse diente, war auf dem Flugfeld die Jagdkommandokompanie disloziert, die den Jagdkommandogrundkurs durchführte. Aufgabe dieser Kompanie war es, durch ihr Kaderpersonal den Kern für die Jagdkommandokompanie (mob) zu stellen bzw. im Rahmen der Jagdkommandogrundkurse die Nährrate für die Mob-Organisation auszubilden. Diese umfasste einen Sondereinsatzstab mit entsprechender Fernmelde- und Versorgungsinfrastruktur sowie eine Jagdkommandokompanie.

Darüber hinaus war in der Organisationsstruktur des Ausbildungszentrums Jagdkampf eine Lehrkompanie Jagdkampf vorgesehen. Diese sollte die Ausbildung des Kaders der lLWB (Jagdkampfbataillone) bzw. Grenzraumüberwachungszüge (GRÜ) sicherstellen. In der Endausbaustufe war die Ausbildung vom Zugs- bis zum Bataillonskommandanten vorgesehen. Auf Grund eingeschränkter Ressourcen im personellen und infrastrukturellen Bereich konnte jedoch zunächst nur ein Lehrzug Jagdkampf aufgestellt werden. Eine substanzielle flächendeckende Ausbildung der aufgestellten lLWB war somit nicht möglich. Die im Organisationsplan verfügte Lehrkompanie Jagdkampf konnte auf Grund fehlender Ressourcen, v.a. im Infrastrukturbereich, nicht aufgestellt werden. Die damalige Ausbildung im Jagdkampfbereich musste sich daher auf die Durchführung von Winterkampfkursen, Überlebensausbildungen und auf die Durchführung von waffeneigenen Offiziersanwärterkursen Grenzraumüberwachung (GRÜ) im Rahmen der EF-Ausbildung beschränken.

Der Jagdkommandokurs, der nach einer achtwöchigen Grundausbildung und einer vierwöchigen vorbereitenden Kaderausbildung begann, hatte damals eine Dauer von 38 Wochen und war in zwei große Blöcke strukturiert: die WGA-Jagdkommando (waffeneigene Grundausbildung) einerseits und die waffeneigene Einsatzausbildung (WEA) andererseits. Im Rahmen der WGA wurden v.a. die Grundkenntnisse im jagdkommandospezifischen Gefechtsdienst bzw. in den Bereichen Überleben, Fernmeldedienst, Spreng- und Pionierdienst, Sanitätsdienst, Nahkampf, amphibischer Ausbildung bzw. Fallschirmausbildung vermittelt. Im Anschluss folgte die WEA, wo der Jagdkommandokurs v.a. im Rahmen von Übungen die Kampfformen Hinterhalt, Überfall und Kommandounternehmen übte.

Am 20. Oktober 1987 wurden die Oesterreichische Nationalbank und das Ausbildungszentrum Jagdkampf Partner, eine Partnerschaft, die heute noch besteht und durch jährliche gemeinsame Veranstaltungen weiter vertieft wird. Diese beiden auf den ersten Blick ungleichen Partner, die OeNB und das AusbZ JAK, verbindet jedoch ein gemeinsamer Auftrag: die Gewährung von Stabilität und Sicherheit, Währungssicherheit auf der einen und Landesverteidigung auf der anderen Seite.

Umstrukturierung im Rahmen der HG-NEU 1992 – Bildung des Zentrums Jagdkampf

Der geopolitische Umbruch in Europa durch den Zerfall des Warschauer Paktes und die daraus resultierende Bedrohungslage gegenüber Österreich leiteten den Übergang von der Raumverteidigungsdoktrin zum Modell der grenznahen und beweglich geführten Landesverteidigung ein. Damit verbunden waren weit reichende Veränderungen im Bereich der Gliederung und Ausbildung des Bundesheeres. So wurden die bis dahin bestehenden raumgebundenen leichten Landwehrbataillone (Jagdkampfbataillone) aufgelöst und deren Angehörige entweder in die Reserve versetzt bzw. den neu geschaffenen Jägerbrigaden zugeführt.

Einhergehend mit dieser Entwicklung wurde das Ausbildungszentrum Jagdkampf mit 1. September 2000 in das Zentrum Jagdkampf umgegliedert. Nahezu zwei Jahre vorher, am 15.1.1999, hatte der Verband im Rahmen einer Überleitung der STRAN HG NEU als Vorbereitungsmaßnahme eine Truppeneinteilung eingenommen. In dieser wurde der Verband als Jagdkampfzentrum bezeichnet. Der Grundauftrag des Zentrums JAK wurde dadurch den neuen Gegebenheiten angepasst. Schwerpunkt war nun die Fortführung der Spezialausbildung. Das Bundesheer verfügte nun erstmals über einen Spezialeinsatzverband, der sowohl im Frieden als auch im Einsatz unmittelbar der obersten militärischen Führung unterstand. Die zentrale Verantwortung für die Sonderausbildung im Bundesheer für die Bereiche Überlebensausbildung, Winterkampfausbildung, Fallschirmausbildung sowie die Tauch- und Kampfschwimmerausbildung blieb erhalten. Der Nahkampfbereich wurde weiter ausgebaut. Erstmals wurden systemisierte Arbeitsplätze für diesen Bereich im Bereich der Lehrgruppe geschaffen. Durch das neu kreierte Nahkampfausbildungssystem war es dem Zentrum Jagdkampf durch den Aufbau von Sub-Ausbildungsstrukturen möglich, eine flächendeckende Nahkampfausbildung für das gesamte Bundesheer sicherzustellen. Neben den Änderungen im Bereich Lehrstab wurde auch eine eigene Ausbildungskompanie zur Durchführung der Jagdkommandoausbildung gebildet. Auch der Mob-Rahmen wurde den neuen Anforderungen durch die Erweiterung um zwei zusätzliche Kompanien angepasst. Neben der klassischen Durchführung von Fernspähaufgaben und Kommandounternehmen wurde im neuen Einsatzkonzept des Bundesheeres dem Jagdkommando v.a. die Gegenjagd im Rahmen des Raumschutzes zugeordnet.

Das Jagdkommando als Auslandseinsatzverband

Neben den Aufgaben als Ausbildungsstätte für Sonderausbildung und der Abdeckung des Mob-Auftrages erwuchsen dem Zentrum Jagdkampf neue Präsenzaufgaben. Diese umfassten einerseits Aufgaben im Bereich des Personenschutzes bzw. solche im Rahmen von internationalen Einsätzen. Nicht zuletzt auf Grund der Professionalität, der raschen Verfügbarkeit und v.a. der Einsatzbereitschaft waren Jagdkommandoteile in nahezu allen Auslandseinsätzen präsent.

So bildete im Rahmen der OSZE-Mission in Albanien vom 24.4. bis 27.7.1997 eine Kompanie mit Jagdkommandosoldaten das Hauptkontingent der österreichischen Beteiligung. Auftrag des Jagdkommandos war es, das OSZE-Hauptquartier in Tirana zu sichern. Neben den Wach- und Sicherungsaufgaben mussten die österreichischen Kräfte die OSZE-Wahlbeobachter unterstützen. Durch die Gestellung eines österreichischen Head of Mission in der Person des ehemaligen Bundeskanzlers Vranitzky gewann die Mission zusätzlich an Bedeutung.

Bereits zwei Jahre später, am 5.4.1999, sollten wiederum Kader des Jagdkommandos als rasch verfügbare Kräfte den militärischen Kern der österreichischen Beteiligung an der Operation Athum Alba in Albanien stellen. Auftrag war die Sicherung des österreichischen Militärspitals, das im Raum Skoder im Norden Albaniens errichtet wurde. Die Professionalität der eingesetzten Jagdkommandokräfte und die notwendige Durchsetzungskraft gegenüber lokalen Banden verhinderten die Plünderung des Lagers und gewährleisteten den Erfolg der humanitären Operation.

Nach Beendigung der Operation in Albanien bereitete sich das Kommando auf einen bevorstehenden Einsatz im Kosovo vor. Ab April 2000 stellte das Jagdkommando laufend Einsatzteams für das österreichische Kontingent. Diese hatten den Auftrag, Spezialaufklärung, Personenschutzaufgaben sowie Hausdurchsuchungen in sensiblen Bereichen durchzuführen. Von diesem Zeitpunkt an befanden sich bis 2003 permanent Kräfte im Einsatzraum. Einen Höhepunkt des Kosovo-Engagements stellte eine Verstärkung des österreichischen Kontingents am 18.3.2004 dar. Ausgelöst durch Unruhen im Einsatzraum wurde der Einsatz einer JaKdo-Task Group angeordnet. Erste Einsatzteile des JaKdos konnten innerhalb von fünf Stunden nach Alarmierung in den Kosovo zur Durchführung von Spezialaufgaben entsandt werden.

Im Rahmen der Beteiligung Österreichs an der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan stellte das Jagdkommando mit Unterstützung von Teilen des JgB 25 einen Sicherungszug. Dieser hatte im Wesentlichen den Auftrag, innerhalb des deutschen Kontingents Patrouillentätigkeit im 10. Kabuler Polizeidistrikt durchzuführen. Wiederum waren es Soldaten des Jagdkommandos, die auf Grund ihres hohen Professionalitäts- und Verfügbarkeitsgrades zur Wahrnehmung von Infanterieaufgaben zum Einsatz kamen.

Die Aufstellung des Kommandos Spezialeinsatzkräfte SEK

Im Zuge der Reorganisation 2002 wurde neben dem Kommando Landstreitkräfte und dem Kommando Luftstreitkräfte auch für die Spezialeinsatzkräfte ein eigenes Kommando – das Kommando Spezialeinsatzkräfte – geschaffen. ObstdG Dorner wurde als Leiter Projektstab SEK mit 1.12.2002 zum Kommandanten bestellt. Das Kommando SEK ist ein dem BMLV unmittelbar nachgeordnetes Kommando der oberen Führung. Darüber hinaus ist der Kommandant SEK in Personalunion Leiter der Abteilung SEK im Führungsgrundgebiet 3 des Führungsstabes und somit befugt, im Rahmen der Geschäftsordnung BMLV Erlässe zu verfügen.

Das Kommando SEK stellt im Wesentlichen die Einsatzvorbereitung und Führung von Kräften für Spezialeinsätze sicher. Darüber hinaus entsendet es im Rahmen von Missionen anlassbezogen SEK-Personal in internationale Stäbe zur Wahrnehmung der österreichischen Interessen. Im Rahmen der REORG 2002 wurde auch das Zentrum Jagdkampf in Jagdkommando umbenannt und dem Kdo SEK unterstellt.

Das Jagdkommando im Wandel der geopolitischen Umbrüche – Perspektive

Im Lichte der geopolitischen Umbrüche in Europa und der zunehmenden sicherheitspolitischen Herausforderungen an der europäischen Peripherie hat sich auch der Grundauftrag für das Jagdkommando grundlegend geändert. Der Einsatz auf österreichischem Staatsgebiet verliert gegenüber der notwendigen Teilnahme an internationalen Friedenseinsätzen zunehmend an Priorität. Der Kampf gegen Versorgungs- und Führungseinrichtungen eines potenziellen Aggressors auf österreichischem Staatsgebiet entspricht nicht mehr dem neuen Bedrohungsbild.

Bei der Bewältigung der Herausforderung durch die stetige Zunahme subkonventioneller Bedrohungsformen im Bereich der transnationalen organisierten Kriminalität, der irregulären Migration, der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen bzw. der illegalen Weitergabe (Proliferation) sensitiver Information sowie durch den transnationalen Terrorismus stellen Spezialeinsatzkräfte einen entscheidenden Faktor dar.

Sie sind auf Grund ihrer Professionalität und raschen Verfügbarkeit in der Lage, innerhalb kürzester Zeit geeignete Kräfte in eine Krisenregion zu entsenden. V.a. im Rahmen von Evakuierungsoperationen kommt demnach Spezialeinsatzkräften wegen des enormen Zeitdrucks ein hoher Stellenwert zu.

Die zunehmende Verlagerung der Einsatzräume in Krisengebiete auch außerhalb Europas und die wachsende Herausforderung durch die asymmetrische Kriegführung erfordern auch neue Einsatzgrundsätze und -methoden. Ein substanzieller Aufwuchs im internationalen Bereich der Spezialeinsatzkräfte ist seit der Mitte der 90er-Jahre bemerkbar. Die Ereignisse um den 11. September 2001 mit den folgenden Kriseneinsätzen in Afghanistan sowie im Irak haben diesen Trend noch weiter beschleunigt. In nahezu allen Staaten werden die Spezialeinsatzkräfte im personellen und materiellen Bereich sowohl quantitativ als auch qualitativ verbessert. Im multinationalen Rahmen wird diesem Umstand durch verstärkte Kooperation im NATO- bzw. EU-Bereich Rechnung getragen. Die Weiterentwicklung der europäischen Spezialeinsatzkräfte erfolgt in diesem Zusammenhang u.a. im Rahmen von EU-ECAP-Panels, wo Fragen der Beschaffung von Ausrüstung, Einsatzgrundsätze und gemeinsamer Operationen im EU-Rahmen auf Expertenebene in periodischen Arbeitssitzungen erörtert werden. Auch die Bewertungen der Bundesheerreformkommission zeigen die gestiegene Bedeutung von Spezialeinsatzkräften.

Das Jagdkommando hat in den letzten Jahren dem Anforderungsprofil von modernen Streitkräften Rechnung getragen und sich als Einsatzverband etabliert. Der Verband konnte alle ihm vorgegebenen KIOP-KPE-Ziele nicht nur zu 100% erreichen, es konnten darüber hinaus weitere Freiwillige einem Contracting unterzogen werden. Alleine im Jahr 2004 führte der Verband zwei Einsätze in Südosteuropa, zwei weitere konkrete Einsatzvorbereitungen, zahlreiche Personenschutz- und Hundespüreinsätze neben der Abhaltung von 28 Kursen im Rahmen der Sonderausbildung durch.

Nicht zuletzt durch diese Leistungen konnte das Jagdkommando der obersten politischen und militärischen Führung den Stellenwert und die Notwendigkeit von Spezialeinsatzkräften vor Augen führen. Neue Bedrohungsformen im asymmetrischen Bereich, die Notwendigkeit der raschen Verlegung in Einsatzräume sowie die allfällige Evakuierung von österreichischen Staatsbürgern erfordern zukünftig eine höhere Anzahl an Jagdkommandosoldaten. Vor diesem Hintergrund ist auch die personelle Aufstockung des derzeitigen Personalrahmens im Rahmen von Management 2010 zu sehen. Von einer nahezu Verdoppelung des derzeitigen Personalstandes kann ausgegangen werden. Einhergehend mit dem personellen Aufwuchs ist eine weitere bauinfrastrukturelle Maßnahme im Bereich Flugfeldkaserne geplant. So kann zusammenfassend festgehalten werden, dass es dem Jagdkommando in seinem nunmehr über vierzigjährigen Bestehen gelungen ist, sich – nicht zuletzt wegen seiner erbrachten Leistungen – als Einsatzverband innerhalb des Bundesheeres zu positionieren.

MMag. Siegfried Bognar

Geb. 1961; OberstdG; 1984 Ausmusterungsjahrgang TherMilAk; 1984-1987 LZgKdt JAK/ HSNS bzw. Ausbildungszentrum JAK; 1987-1991 Kdt Jagdkommandokompanie; 1992-1994 Verwendung Referatsleiter BMLV; 1994-1997 14. Generalstabskurs/ LVAk: 1997-2003 BMLV Stellvertretender Abteilungsleiter/BMLV; 2004 Truppenverwendung als Kdt Jagdkommando; 1995-1999 Studium Politikwissenschaft/Zeitgeschichte Uni Wien.

Josef Wanetschek

Geb. 1933; Oberst i.R.; 1957 freiwillige Meldung zum ÖBH; 1961 Ausmusterung zum Infanterieschulbataillon; 1963 Versetzung zur neugegründeten Heeressport- und Nahkampfschule; 1964 Ausbildung an der Schwedischen Fallschirmjägerschule (Kleinkrieg und Fallschirmspringen); 1966/67 Ausbildung bei der US-Armee. Infanterieoffizierskurs an der US Infantry School in FORT BENNING, Special Forces Officer Course; nach Rückkehr aus USA Kommandant des Vorschriften- und Versuchsstabes an der HSNS. Ausarbeitung von Vorschriften, Ausbildungsrichtlinien und Einsatzgrundsätzen für das Jagdkommando; 1979-1985 Kommandant des Sondereinsatzstabes/JaKdo; 1983/1984 Kdt Heeressport- und Nahkampfschule; 1993/1994 Brigadekommandant der 2. JägerBrigade; seit 01.8.1994 im Ruhestand.